Vor 60 Jahren wurden die „Störtebekerfestspiele“ in Ralswiek auf der Insel Rügen begründet. Schöpfer dieser Festspiele 1959 waren der schillernde Theatermann Prof. Hanns Anselm Perten, Prof. Günter Kochan - Meisterschüler von Hanns Eisler und Boris Blacher - und der Dramatiker Dr. hc. Kurt Barthel (Kuba). Mit dieser Schrift soll an die Geschichte dieser bedeutenden Aufführungen erinnert werden.
Michael Pietschmann Livres






Der bedeutende Schauspieler, Regisseur und Intendant Hanns Anselm Perten hatte schon sehr früh Kontakt zum Jahrhundertgenie Bertolt Brecht. Von diesem wurde er sehr gefördert. So inszenierte Perten einige Stücke - zum Teil als Erstaufführung in der Sowjetischen Besatzungszone - mit großem Erfolg. Dies war keinesfalls üblich und selbstverständlich, da Stücke von Bertolt Brecht in dieser Zeit nicht gespielt oder einfach totgeschwiegen wurden.
Das Volkstheater in Rostock war zu DDR-Zeiten eine der bekanntesten Bühnen, weil hier Stücke ur- oder erstaufgeführt wurden, die in der gesamten Republik als unspielbar galten. Die Geschichte dieses Hauses ist untrennbar mit dem bedeutenden Theatermacher Prof. Hanns Anselm Perten verbunden. Künstler wie Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Martin Walser u. a. gaben ihre Stücke nach Rostock. Aber vor allem Peter Weiss, Rolf Hochhuth und Hans Werner Henze sahen die Rostocker Bühne als ihre Bühne an.
Prof. Hanns Anselm Perten war einer der interessantesten Theaterkünstler in der DDR. Das Volkstheater Rostock hatte einen der abwechslungsreichsten Spielpläne, da hier Stücke gespielt wurden oder werden konnten, die in der gesamten DDR als zum Teil unspielbar galten. Hier wurden viele US-amerikanische und lateinamerikanische Stücke ur- oder erstaufgeführt. Bekannt wurde diese Bühne jedoch vor allem durch Autoren wie Dürrenmatt, Walser, Henze, Frisch, Kroetz, Forte und vor allem Rolf Hochhuth und Peter Weiss. Für Peter Weiss wurde das Rostocker Volkstheater sogar „Hausbühne“. Viele Stücke dieses Jahrhundertdramatikers wurden in Rostock ur- oder erstaufgeführt. Zwischen Peter Weiss und Hanns Anselm Perten entstand eine innige Freundschaft und äußerst produktive Zusammenarbeit, die bis zum Tod von Weiss 1982 beide Ausnahmekünstler verband. Dieser beeindruckende Briefwechsel wird hier erstmalig veröffentlicht.
Glanz und Schatten der DDR-Kulturgeschichte spiegeln sich in der umstrittenen Figur des Theatermannes wider, der bereits zu seinen Lebzeiten zur Legende wurde. Prof. Hanns Anselm Perten war eine polarisierende Persönlichkeit; für viele Künstler galt er als „Diktator des Nordens“, während andere ihn als Vaterfigur für Peter Weiss und Hochhuth sahen. Geboren 1917 in Hamburg, kam er 1946 in die Sowjetische Besatzungszone, um das kulturelle Leben neu zu gestalten. Er wurde Intendant bedeutender Bühnen, besonders bekannt für seine langjährige Generalintendanz in Rostock, die zum Zentrum des Reisetheaters der DDR avancierte. Dort wurden Stücke aufgeführt, die andernorts verboten waren. Perten spielte oft ein riskantes Spiel mit den Mächtigen der DDR, denen er intellektuell überlegen war. Am Ende seines Lebens brach er mit der SED und bedauerte, nicht in die BRD ausgewandert zu sein. Die Umstände seines Todes 1985 sind bis heute ungeklärt; sein Leichnam wurde in den 2000er Jahren exhumiert, um mögliche Fremdeinwirkung oder Suizid zu untersuchen. Diese Dissertation beleuchtet das gesamte Leben von Hanns Anselm Perten, von seiner Geburt bis zu seinem Tod, und verortet ihn im Kontext der DDR-Kulturgeschichte.
Prof. Hanns Anselm Perten war in der DDR eine der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Theaterpersönlichkeiten. Der Spielplan des Rostocker Volkstheaters ist einer der abwechslungsreichsten aller Bühnen in der DDR gewesen. Rostocks Bühne wurde zu dem Reisetheater außerhalb der DDR. Und in Rostock wurden Stücke aufgeführt, die in der DDR als unspielbar galten oder verboten waren. Perten ging mit seinem Engagement ein hohes Risiko ein: So umgab er sich gern mit Parteigrößen und wurde auch bald nach 1945 in die Strukturen der SED eingebunden. Zum Ende seines Lebens brach er mit „seiner“ Partei – die ihn immer kritisch gesehen und ihm oft große Probleme bereitet hatte. Mythen und Legenden ranken sich um die genauen Todesumstände dieser schillernden Künstlerpersönlichkeit. Diese Biografie beschreibt das Leben eines Theatermannes in der DDR über nahezu die gesamte Zeit des Bestehens dieses Staates.
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Rostock die Grundlage für eine Wagner-Tradition gelegt. Diese wurde 1895 mit der Eröffnung des neuen Stadttheaters weitergeführt und durch die glückliche Verbindung mehrerer Institutionen (Theater, Vereine, Künstler, Presse und Wolfgang Golther, der als Wagner-Forscher und Freund der Familie Wagner 1895 an die Universität Rostock berufen wurde) entstand eine beeindruckende Kontinuität hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität von Wagner-Aufführungen, die der Bayreuther Festspiele analog war. Rostock wurde Bühne für bedeutende Solisten, Dirigenten und Regisseure. Und umgekehrt wurde Rostock „Sprungbrett“ für später berühmte Wagner-Interpreten. Die personelle Verbindung Rostock-Bayreuth (Besuch, Ausbildung und Beziehungen zum Haus Wahnfried) existierte bis zum Ende des II. Weltkrieges. Durch diese auffallende Bevorzugung der Werke Richard Wagners entstand der Begriff „Norddeutsches Bayreuth“.