Zu allen Zeiten haben die Literatur und andere Medien Landkarten realer und imaginärer Weltgegenden entworfen. Ob in Heinrich von Kleists Hermannsschlacht, Herman Melvilles Moby-Dick oder J. R. R. Tolkiens Herr der Ringe: Der Leser findet sich mittels künstlicher Kartographien in der Welt der Fiktionen zurecht. Es sind Bilder von guten und bösen, zivilisierten und barbarischen Weltteilen, die sich in die Köpfe der Leser einprägen, ihren Blick auf die Wirklichkeit verändern und zu Weltanschauungen, Ideologien und politischen Programmen verdichten. Daher liegt es nicht allein in literaturwissenschaftlichem Interesse, diese imäginären Territorien zu vermessen.
Eine wissenschaftliche Arbeit zu beenden und den letzten Punkt zu setzen, fällt viel leicht schwerer, als mit ihr zu beginnen. Man ist geneigt, im Verlauf des Schreibens dem Theoriegebäude immer neue Erker, Verzierungen, Bögen hinzuzufügen, um immer wieder neue Details, Parallelen und Entdeckungen zu berücksichtigen und in das wachsende Gebäude des Textes einzufügen. Der stolze Bauherr gerät hier in Ge fahr, mit seiner theoretischen Architektur gleichsam eine gotische Kathedrale zu er richten, dessen unzählige Ornamente und Reliefs oftmals dem Blick des Betrachters entzogen bleiben und allein dem Architekten eine arcane Freude bereiten. Um diese Gotik der Theorie zu vermeiden, habe ich versucht, in den folgenden sechs Kapiteln den Bauplan immer wieder sichtbar werden zu lassen, ohne jedoch den Be trachter durch die banale Redundanz einer Reihenhaussiedlung zu langweilen. Die interessanten Details sollen jedem sichtbar sein, jedoch nicht um als Dekor zu die nen, sondern als empirisches Fundament. Die systemtheoretische These, daß die Literatur als soziales System aus einem Ge mengelage sozialer Felder differenziert und in diesem Ausdifferenzierungsprozeß immer mehr Distinktion gegen andere Bereiche der Gesellschaft gewinnt, soll dieser Arbeit die Einheit eines Entwurfes geben; die Applikation dieser These auf das Ma terial der historischen Semantik soll ihr ein Fundament verschaffen; die Überprüfung des Differenzierungsvorganges an so verschiedenen sozialen Systemen wie Moral, Ästhetik oder Religion soll dabei nicht nur für eine größeren Grad der Validierung, sondern auch für Abwechslung sorgen.
Seit der Antike dienen Ameisen und ihre Formen des Zusammenlebens als Modell und Vergleich für den Menschen und seine soziale Organisation. Dabei ist das Bild der Ameisengesellschaft, in denen wir unsere Ordnungen spiegeln, äußerst flexibel und kann als Vorlage sowohl für republikanische wie monarchistische, libertäre oder totalitäre Vorstellungen einer Gemeinschaft verwendet werden. In seiner wissenshistorischen Studie verfolgt Niels Werber die wechselhafte Faszinationsgeschichte dieses Vergleichs und untersucht die Evidenzen und blinden Flecken, die er produziert. Was an Ameisen beobachtet wird, so der Befund, gibt Antworten auf soziologische oder anthropologische Probleme – und stellt jenseits aller Disziplinen die Frage, was der Mensch ist und was die Gesellschaft, in der er lebt.
Geopolitik ist wieder en vogue. Von Gaspipelines als Lebensadern ist die Rede, von der Amputation von Territorien oder auch vom Willen, eine lebenswichtige Landbrücke zu einer Enklave herzustellen. Staaten werden in Analogie zu Lebensformen betrachtet: Nicht Staaten, sondern Lebewesen fehlt die Luft zum Atmen, benötigen mehr Raum oder leiden unter Gebietsverlusten wie ein verstümmelter Körper. In dieser Einführung rekonstruiert Niels Werber den geopolitischen Diskurs von den literarischen und akademischen Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu ihren aktuellsten Varianten bei Wolfgang Schivelbusch und Bruno Latour. Neben »klassischen« Autoren wie Friedrich Ratzel, Alfred Mahan, Halford Mackinder, Karl Haushofer, Carl Schmitt und Samuel Huntington werden dabei auch populäre Repräsentationen geopolitischen Denkens diskutiert. Eine Revision mit Blick u.a. auf die Adaption des genuin »deutschen« geopolitischen Denkens durch das heutige russische Großraumdenken beschließt die Nachauflage dieses Bandes.
Vor 30 Jahren schien es vollkommen unproblematisch zu sein, was populär ist und was nicht. Schlagermusik, Heftchenromane, Soap Operas, Fußball, Quizshows, Superhelden zählten zur Populärkultur. Opern, Theater, Autorenkino, E-Musik und Klassiker firmierten als Hochkultur. Das Populäre galt als eingängiges Vergnügen für zwischendurch und den Verfechtern der Hochkultur allein schon aus diesem Grunde als zweifelhaft und verdammenswert: Kulturindustrie. Die nüchterne Bestimmung des Populären als das, was viele beachten, ermöglicht andere Beobachtungen der Populärkultur, vom Pop als Form, die sich durch ihre Beachtung rechtfertigt, bis zu Populismen als Fälle unerwünschter Popularität. Der Band versammelt Texte, die den Begriff des Populären theoretisch ausdifferenzieren und historische Phänomene des Populären beleuchten.
Der Erste Weltkrieg: einschneidende Modernisierungs- und Krisenerfahrung. Das Handbuch verfolgt die Entwicklungen und Veränderungen in Politik, Gesellschaft, Technik und Mentalitäten bis in die 1920er Jahre hinein und wirft einen beispiellosen Blick hinter die geschichtlichen Fakten. Welche Themen, Diskurse und Mythen ranken sich um die Ereignisse? Wie werden diese wahrgenommen, gedeutet und verarbeitet? Welchen Widerhall finden sie in Kultur, Literatur und Kunst? Das Handbuch betrachtet die Phänomene der Zeit aus moderner, interdisziplinärer Perspektive, so zum Beispiel die Kriegsaffirmation, den industrialisierten Krieg, den Stellungskrieg und Nahkampf, die emotionale Mobilmachung und Erinnerungskultur, Männerbünde, Körper- und Nervenkrisen.