Zu den Affekten zählen jene Gemütsbewegungen des Menschen, welche durch Blindheit bestimmt sind und sich der Vernunftkontrolle entzogen haben. Affekte gelten deshalb als problematisch, führen sie doch oft in die allgemeine oder private Katastrophe. Schon in der Antike wurden sie als Untugenden begriffen und von Tugenden wie Geduld, Vernunft und Mässigkeit unterschieden, und neben der Gier, der Völlerei und der Eitelkeit zählten im Mittelalter Zorn, Neid, Traurigkeit und Wollust zu den Lastern. Mit der Karriere der Gefühlsethik im 18., der Theorie der Stimmung im 19. sowie der Entdeckung des Unbewussten im 20. Jahrhundert hat sich dies grundlegend geändert. Die vorliegende Affektpoetik unternimmt den Versuch, diese Auf- und Umwertungsprozesse anhand literarischer Gattungen nachzuvollziehen. Sie beleuchtet die elegische Trauer, das idyllische Glück, den hymnischen Enthusiasmus, die satirische Aggression, den grotesken Ekel, die melodramatische Sehnsucht, die Angst des Märchens sowie weitere Gattungen als kulturelle Medien der Affekte. Unter Bezugnahme und in Auseinandersetzung mit einschlägigen Theoretikern der Emotionspsychologie liefert sie so Bausteine einer kulturwissenschaftlichen Theorie des Emotionalen.
Burkhard Meyer Sickendiek Livres





Die Ästhetik der Epigonalität
- 352pages
- 13 heures de lecture
Zärtlichkeit
Höfische Galanterie als Ursprung der bürgerlichen Empfindsamkeit
In den Literaturwissenschaften geht man bis heute davon aus, dass die literarische Empfindsamkeit aus der „Emanzipation des Bürgertums im 18. Jahrhundert“ (Sauder) entstanden sei. Dass diese These einer genuin bürgerlichen Gefühlskultur höchst problematisch ist, zeigt die Begriffsgeschichte der Zärtlichkeit, die schon um 1650 mit dem Erzählwerk der Madeleine de Scudéry begann. Denn eben dieses Zärtlichkeitsideal entstand nicht im Bürgertum, sondern innerhalb der noblesse de robe, des französischen Amtsadels zur Zeit des Ancien Régime. Seinen Ursprung hat die zärtliche Empfindsamkeit also in der höfischen Galanterie des 17. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund fragt die vorliegende Studie erstmals nach dem Verhältnis von Galanterie und Empfindsamkeit, zwei Epochen, die im Begriff der Zärtlichkeit eine bisher vollkommen unerforschte gemeinsame Schnittmenge besitzen. Die Studie entfaltet die Kulturgeschichte dieser Zärtlichkeit anhand des europäischen Theaters des 17. und 18. Jahrhunderts, welches unter dem Eindruck einer „tendresse amoureuse“ (Daumas) signifikante Transformationen sowohl im Bereich der Tragödie (von Racine über Dryden und Voltaire bis hin zu Schlegel und Lessing) als auch der Komödie (von der sentimental comedy über die comédie larmoyante bis hin zum rührenden Lustspiel) durchläuft. So entsteht ein völlig neuer Blick auf die Theatergeschichte der Frühaufklärung.
Der jüdische Witz
- 360pages
- 13 heures de lecture
Der ›jüdische Witz‹ wurde in den 1960er Jahren vor allem durch die Sammlung Salcia Landmanns bekannt. Doch erschöpft er sich in heiteren, folkloristischen Erzählwitzen? Der vorliegende Essayband bezweifelt dies und erweitert die Diskussion zum ›jüdischen Witz‹ um drei neue Perspektiven. Erstens erfasst er neben dem Erzählwitz erstmals systematisch dessen literarische Variante, die von Satirikern wie Heine und Tucholsky, von Romanciers wie Döblin oder Hilsenrath entwickelt wurde. Zweitens erinnert er an die ursprünglich als Schmähvokabel gedachte Prägung des sogenannten »Judenwitzes«, die von jüdischen Autoren des Vormärzes umgedreht und als »Waffe« im Prozess der jüdischen Selbstbehauptung eingesetzt wurde. So entstand eine eher aggressive Version, deren wichtigste Vertreter Heine, Börne, Kraus und Tucholsky waren. Und drittens liefert er erstmals einen transatlantischen Vergleich und fragt: Weshalb gestaltete sich die Kultivierung des jüdischen Witzes in den USA so anders als in Europa? Denn während der jüdische Witz in Europa durch die Shoa nahezu vernichtet wurde, findet sich in den USA eine ungebrochene Tradition, die von Eddie Cantor über Woody Allen bis hin zu Jerry Seinfeld reicht.
Was ist literarischer Sarkasmus?
Ein Beitrag zur deutsch-jüdischen Moderne
- 616pages
- 22 heures de lecture
Das Buch stellt die erste Studie zum Begriff des Sarkasmus dar. Es geht davon aus, dass ein genuin literarischer Sarkasmus in der deutschsprachigen Literatur erst mit der Einwanderung ostjüdischer Autoren im neunzehnten Jahrhundert entstand. Zwar kannte die Epoche der Aufklärung den Witz und die Romantik die Ironie. Aber erst mit Autoren wie Ludwig Börne oder Heinrich Heine, Daniel Spitzer oder Alfred Kerr, Maximilian Harden oder Karl Kraus, Walter Mehring oder Kurt Tucholsky, Carl Einstein oder Alfred Döblin, Elias Canetti oder Albert Drach entwickelt sich ein literarischer Sarkasmus.