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Dietmar Frenz

    Kunstvolles Schmähen
    Isabels 'faldellín': ein infames Gerücht im Zentrum der Fehde zwischen Avellaneda und Cervantes
    • Alonso Fernandez de Avellaneda (wer auch immer sich hinter dem Pseudonym verbirgt) rekurriert in seiner dreisten Fortsetzung des 'Don Quijote' (1614) auf - in Prozessakten dokumentierte - Geruchte uber die Frauen um Miguel de Cervantes, um sie unterschwellig als Huren und den 'pater familias' als ihren Zuhalter zu verunglimpfen. Diesen Provokationen begegnet Cervantes in seiner eigenen Fortsetzung des Erfolgsromans (1615) sowie in den postum erschienenen 'Trabajos de Persiles y Sigismuda' (1617) sowohl mit Koketterie als auch mit Verwunschungen und symbolischen Bestrafungen des Rivalen, die er in palimpsestartigen Episoden, uberraschenden Bildern, Anagrammen und Rechenspielen versteckt, freilich nicht ohne die Grenzen doppelbodigen Erzahlens durch logische Bruche zu strapazieren. Texte von Zeitgenossen wie Lope de Vega, Castillo Solorzano oder Quinones de Benavente scheinen diesen verborgenen Schlagabtausch, der der Forschung bislang entgangen war, durch seine produktive Rezeption zu belegen.

      Isabels 'faldellín': ein infames Gerücht im Zentrum der Fehde zwischen Avellaneda und Cervantes
    • Die toskanische Schmähdichtung von Rustico Filippi bis Cecco Angiolieri wird, wie ihre galloromanischen und galicisch-portugiesischen Pendants, von der Forschung gemeinhin mit dem unteren oder mittleren Stilniveau der Artes poetriae (von Galfrid bis Dante) in Verbindung gebracht. Die Absicht, diese einst geringgeschätzte Lyrik zur kodifizierten Kunstdichtung aufzuwerten, stand wohl hinter der von Mario Marti in den fünfziger Jahren etablierten These, der Inhalt und rhetorisches Gepräge der Schmähdichtung jedoch widersprechen; eher käme die Einstufung in den hohen Stil in Frage, besäße das Stilsystem tatsächlich die ihm oft in simplifizierender Weise zugemessene Bedeutung. Wie sehr die mittelalterliche Poetik indes ein mit erheblichen Widersprüchen durchsetztes Konglomerat unterschiedlicher Klassifikationsansätze darstellte, deren stark dehnbare Vorschriften jeder Dichter für seine Zwecke nutzen konnte, zeigen nicht zuletzt Dantes theoretischer Zugang in »De vulgari eloquentia« und die Ausgestaltung der komischen Passagen der »Commedia«. Hat Martis These lange Zeit die Forschung dominiert, so übte sie indes kaum Einfluss auf die produktive Rezeption in historischen Romanen und Erzählungen aus, die, indem sie die Schmähdichtung meist in einem dem höfisierenden Wirken gegenübergestellten Kneipenmilieu ansiedelt, lieber Forschungsklischees des 19. Jahrhunderts fortschreibt.

      Kunstvolles Schmähen