Der soziale Selbsthilfesektor nimmt in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion zur Neugestaltung des sozialen Dienstleistungssystems eine bedeutende Stellung ein. Als Ergänzung oder Ersatz für öffentliche Angebote sind selbst organisierte Einrichtungen nicht nur geduldet, sondern inzwischen erwünscht und eingeplant. Über die Arbeits- und Funktionsweisen von Selbsthilfeinitiativen und somit über ihre Potenziale ist jedoch wenig bekannt. Dies zeigt sich vor allem an den unterschiedlichen Interessen und Bedeutungszuschreibungen, mit denen die Diskurse über sie geführt werden. Inwieweit stimmen die Merkmale und Funktionen, die den Selbsthilfeinitiativen in den sozialpolitischen und wissenschaftlichen Debatten zugeschrieben werden, mit ihren Interessen, Zielen und internen Strukturen und Funktionsweisen überein? Welche Muster der Selbstorganisation bilden sich heraus? Wie entwickelt sich die Arbeitsteilung in den Initiativen? An diesem Fragenkomplex setzt die vorliegende Studie an. Dabei werden zwei sozialwissenschaftliche Untersuchungsfelder miteinander verbunden: Die selbst organisierte soziale Arbeit, also der so genannte informelle Sektor, und die geschlechterbezogene Arbeitsteilung, ein Thema, das nach wie vor zur sozialpolitischen Agenda gehört. Die Ergebnisse der zu Grunde liegenden empirischen Untersuchung zweier Eltern-Kind-Initiativen wurden zu Fallgeschichten zusammengestellt und in einem ersten Schwerpunkt der Studie mit Blick auf unterschiedliche sozialwissenschaftliche Diskurse reflektiert: bezogen auf die Modernisierungsprozesse der Gesellschaft in den Bereichen neue soziale Bewegungen, Selbsthilfe, Familienselbsthilfe, auf die Stellung dieser Einrichtungen im Dienstleistungssektor und auf die Entwicklung von Organisationsstrukturen sowie ihrer Ressourcen. Der zweite Schwerpunkt setzt sich mit den Fragen auseinander, um welche Form von Arbeit es sich in diesem Feld zwischen Familie, Selbsthilfe, Ehrenamt, professioneller Arbeit und Berufsarbeit handelt, und ob selbst organisierte Elterninitiativen Chancen für eine Neubestimmung des Geschlechterverhältnisses im Hinblick auf geschlechterbezogene Arbeitsteilung bieten.
Ingrid Rieken Livres


Seit mehr als einem Jahrzehnt versuchen Schul- und Hochschulreformen, Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern in naturwissenschaftlich-technischen Fächern herzustellen, und zwar ohne Jungen bzw. Männer künstlich zu benachteiligen. Die Erfolge sind gering und diese Stagnation verlangt nach einer genaueren und aktualisierten Problembestimmung. Die Kategorie „Geschlecht“ spielt auf der Ebene pädagogischen Handelns neben Diversität oder Heterogenität immer noch eine entscheidende Rolle. Die Beiträge in diesem Band offenbaren die „Baustellen“ der Diskussion um das Thema Gender in der Lehre von Schule und Hochschule im Spannungsfeld von doing gender (der Zuschreibung von Geschlecht) und doing discipline (dem Wissenschaftsverständnis und der Lehr-Lernkultur in den Fächern). Sie bieten einen sowohl praxisorientierten als auch analytischen Zugang zur Umsetzung gendersensiblen Unterrichts an Schulen und stellen dabei die strukturellen Bedingungen der Lehramtsausbildung an der Hochschule auf den Prüfstand.