Ursula Verhoeven Livres




Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift
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Von den verschieden agyptischen Handschriften des 1. Jt. v. Chr. wurde die relativ sorgfaltige Buchschrift vor allem fur funerare, religiose und literarische Papyri verwendet, die normalerweise keinen realweltlichen Zeitbezug enthalten. Daher ist man bei der Datierung dieser Quellen meist auf palaographische vergleiche angewiesen. Der Hauptteil der Untersuchungen widmet sich der Formanalyse dieser spathieratischen Buchschrift: synchron am Brooklyner Orakelpapyrus vom 4. Okt. 651 v. Chr., diachron mit einer vollstandigen Palaographie aus 19 datierten Textzeugen im Zeitraum von 950-230 v. Chr., davon sechs Totenbucher aus der Saitenzeit, der Dynastie, die in Mollers Palaographie III am schlechtesten vertreten war. Das Zeichenmaterial wird ausgewertet, Entwicklungslinien und Ahnlichkeiten werden aufgezeigt. Der zweite Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Anwendung der palaographischen Methode: sieben bekannte Papyri werden anhand des aktuellen Materials untersucht: P. Berlin 10456, P. Salt 825, P. BM 10474, P. Brooklyn 47.218.48&85, P. Brooklyn 47.218.50, P. Brooklyn 47.218.148, P. Vandier. Die neuen Datierungen und die erkennbaren Entwicklungsschube des Spathieratischen liefern interessante Einsichten in die Schreibkultur der Spatzeit.
Nespasefy lebte um 650 v. Chr. im Theben der Spätzeit. Sein hieratisch geschriebenes Totenbuch stellt eine formale Besonderheit dar, indem es auf vier einzelnen, langen Papyrusrollen niedergeschrieben wurde, die zerlegt und auf verschiedene Museen verteilt wurden. Inhaltlich bietet es die zur Zeit früheste umfangreiche Quelle der sog. “Saitischen Rezension” des Totenbuches, einer grundlegenden Neuredaktion dieses Jenseitsbegleiters, die in der Umbruchphase zwischen 25. und 26. Dynastie stattfand und für die folgenden 800 Jahre der Totenbuchtradition bestimmend war. Das Werk bietet Fototafeln aller Partien, eine vollständige hieroglyphische Umschrift zu den erhaltenen Totenbuchsprüchen 1-99 und 145-165, eine detaillierte Beschreibung der Papyrusrollen sowie Kommentare zu Textstellen, die von der bislang bekannten Tradition abweichen.
Das Hieratische, die kursive Form der Hieroglyphen, diente als Handschrift der Alten Ägypter und wurde über 3000 Jahre lang für vielfältige Zwecke verwendet. Nicht nur Verwaltungsangelegenheiten, sondern auch Texte der Literatur, Religion und Wissensgebiete wurden mit ihr notiert. Hieratisch schrieb man mit Tusche und Binsenstengeln auf unterschiedlichste Textträger wie Papyri, Leinen, Leder oder Holz, aber auch auf Steinobjekten. Die Auswertung der hieratischen Quellen stellt einen integralen Bestandteil der ägyptologischen Forschung dar. Die systematische Analyse der altägyptischen Kursivschriften, ihrer Schreibpraxis und paläographischen Details ist aber in weiten Teilen ein Desiderat des Faches. Zwei Tagungen in Mainz gaben der Erforschung des Hieratischen als Schriftart neue Impulse. Der nun vorliegende Sammelband beinhaltet Beiträge internationaler Spezialistinnen und Spezialisten zu Stand, Methoden und Perspektiven, zu den entwicklungsgeschichtlichen Parallelen und Unterschieden zwischen den Schriftarten Monumentalhieroglyphen, Kursivhieroglyphen und Hieratisch. Drei Aufsätze widmen sich dem spätzeitlichen Abnorm- oder Kursivhieratischen und römerzeitlichen Besonderheiten. Außerdem werden anhand von Quellen verschiedener Epochen regionale, gattungsbezogene und persönliche Spezifika sowie die hieratische Epigraphik und Papyrologie beleuchtet.