László Garaczi Livres





Einer der wichtigsten Vertreter der jüngeren ungarischen Schriftstellergeneration erinnert sich an Kindheit, Jugend und Heranwachsen, an Schule und Sex, an Paraden und Drogen, an Busausflüge und Sekretärinnen mit Haarknoten, an den Gulaschkommunismus der 50er, 60er und 70er Jahre. Mit unnachahmlichem Witz durchdringen sich auf diesen Seiten das Private und das Gesellschaftliche; 'Kann es sein, dass das stolze Schiff des Kommunismus hier, an dieser Klippe, leckschlug?' – diese Frage stellt der Erzähler mit Blick auf seine private Familiengeschichte, die reich ist an komischen Käuzen und schrägen Episoden, aber auch voll ungerührter Grausamkeit und Brutalität. Garaczi – 'Ich bin Schriftsteller geworden, weil ich Angst hatte zu verfetten' – schrieb mit diesem (im Original in zwei Bänden erschienenen) Werk eine Hymne auf die Anarchie der Kindheit, ohne sie an irgendeiner Stelle zur Idylle zu verharmlosen, im Gegenteil: dieser Blick zurück ist schockierend unerschrocken und tut nicht selten weh. Die gesellschaftliche Tünche liegt nur dünn über der Widerständigkeit des Individuellen. 'Bravsein und Gehorsam sind zwei unausrottbare Zwangsvorstellungen der Erwachsenen, anderenfalls verhauen sie einen. Außer Eltern fürchtet man Polizisten, Rauchfangkehrer, lumpensammelnde Zigeuner, das Jesulein, das den schlimmen Kindern die Zunge abschneidet, und den Friseur.'
MetaXa
Roman
Die atemlose und irrwitzige Bestandsaufnahme eines Lebens – aufgenommen in einer Nervenheilanstalt … „Metaxa“ ist das Geständnis eines jungen Musikers, der zwischen zwei Frauen aufgerieben wird, eines Künstlers, der seinen Ort in der Welt nicht finden kann. Eigentlich lebt er in überaus glücklichen Umständen: er ist verliebt, er hat Arbeit, er reist mit einem Streichquartett um die Welt (was im postkommunistischen Ungarn ohnehin schon ein Inbegriff von Glück ist). Aber bei einer dieser Tourneen, in den USA, gerät sein Leben aus den Fugen, die Begegnung mit einer Frau lässt ihn Verantwortung, Verpflichtung und Vergangenheit vergessen. Zurück in Ungarn, versucht er, gewissermaßen beide Eisen im Feuer zu halten – doch stattdessen geht in diesem Feuer nun alles zugrunde, seine Beziehungen, seine Karriere und sein gesunder Verstand. Zu dem Geständnis kommt es in einer Nervenheilanstalt, einem Ort, randvoll mit Geschichten der seltsamsten Art, Geschichten von äußerster Bitterkeit und Tragik wie auch von grotesker Komik. Es gibt keinen Trost in diesem Sanatorium und auch nicht in diesem Roman, es gibt nur eine jede Lebensordnung und -planung auflösende Ironie. László Garaczis Roman „Metaxa“ ist mit seinem Humor, seiner verspielten Sprache und seinem genauen, manchmal grausamen Bild der Wirklichkeit ein sehr intensives Porträt einer hoffnungslosen, aber absurd komischen Welt, in der wir alle zuhause sind, ob innerhalb oder außerhalb einer Nervenheilanstalt.
Ein humaner und absurd-komischer Bericht von den Schrecknissen des Abgerichtetwerdens: László Garaczi führt seinen Erzähler, dem der Eintritt in ein befriedigendes Liebes- und Sexualleben nicht so recht gelingen will, mit der Aufnahme in den Militärdienst tiefer in die goldenen Jahre des ungarischen Sozialismus hinein. Aber dieses Buch ist keine Militärklamotte, es ist keine humoristische Erinnerung an Albernheiten eines ohnehin belachten Systems – und es ist auch keine Anklage gegen die Inhumanität dieses Systems! Unmenschlichkeit und Brutalität hat der Erzähler lange vor dem Militär kennengelernt, schon in der Schule, schon in der Familie (Territorien, die Garaczi schon in seinem zweiteiligen Roman Die wunderbare Busfahrt erkundet hat); Unmenschlichkeit steckt gewissermaßen im Herzen dieser Welt, Erniedrigung und Missbrauch gehören zum täglichen Geschäft der Menschen, das Militär ist nur ein weiterer Schauplatz, an dem diese Fähigkeiten brillant trainiert werden. Der junge Mann mit dem Spitznamen ›Knochen‹ ist bereit, alles zu tun, um diesem Abrichtungs-system zu entgehen, bevor er gebrochen wird, bricht er sich lieber selbst den Arm. Unbestimmte, undeutliche Wünsche und Sehnsüchte treiben ihn an, die zu formulieren er nicht in der Lage ist; stattdessen sammelt er Wörter, seltsame, komische Ausdrücke, notiert sie in sein Heft und bleibt, vorerst, stumm – eine Ahnung vielleicht, dass nur das Wahrnehmen, das Benennen und am Ende das Aufschreiben aus der Lähmung und aus dem Grauen der Verhältnisse hinausführen können. Paradoxerweise schafft er am Ende, was ihm zu Anfang verwehrt blieb: nun, da er ein ›Mann‹ ist, erhört ihn Kamilla doch noch. László Garaczi hat sich inzwischen als unbestechlicher Chronist der Erziehung und Anpassung an erniedrigende Bedingungen in die europäische Literaturgeschichte hineingeschrieben. 'László Garaczi gibt uns mit Witz und Furor Bilder, wie wir sie seit – wann auch immer, vielleicht seit Jean Paul nicht mehr gelesen haben: Große Literatur, deren Tragik – falls das hier überhaupt eine zuständige Kategorie sein kann – darin besteht, dass sie komisch ist.' (Guido Graf, Basler Zeitung) 'Die Komplexität aus Humor, Ironie und herzzerreißender Tragik – auf sprachlicher wie auch auf kompositorischer Ebene – machen diesen Roman zu Garaczis liebenswertesten, wenn nicht bisher besten überhaupt.' (Péter Dérczy, Prae) 'Garaczi gehört zu jenen ungarischen Dichtern, die sich durch amerikanische Vorbilder anregen lassen (abwegig wäre es nicht, in diesem Zusammenhang Woody Allen zu nennen)' (Zsuzsanna Gahse, Der kleine Bund)