Die bis 2008 in Einzelgesetzen rechtsformspezifisch geregelte Insolvenzantragspflicht ist mit § 15a Abs. 1 InsO durch das MoMiG in der Insolvenzordnung rechtsformneutral geregelt worden. Das Problem der subjektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht ist nach wie vor ungelöst. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob die Kenntnis des Vertretungsorganmitglieds vom objektiven Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung (Insolvenzreife) bzw. bestimmter Umstände, die zwingend auf den Eintritt der Insolvenzreife schließen lassen, Tatbestandsvoraussetzung des § 15a Abs. 1 InsO ist. Diese Fragestellung hat große Bedeutung für die Schadensersatzhaftung der Vertretungsorganmitglieder und prägt die Krisenberatung insolventer Unternehmen. Sie bringt den Geschäftsleiter in erhebliche Zielkonflikte, weil einerseits eine verfrühte Insolvenzantragsstellung zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft, eine verspätete Insolvenzantragsstellung andererseits zu Ansprüchen insbesondere der Gesellschaftsgläubiger führen kann. Aufgrund der unklaren Rechtslage lassen sich die an die Mitglieder des Vertretungsorgans haftungsbeschränkter Gesellschaften im Vorfeld einer möglichen Insolvenz gestellten Handlungsanforderungen nicht präzise umschreiben. Fällt der Eintritt der Insolvenzantragspflicht notwendig mit dem Beginn der Dreiwochenfrist zusammen? Können die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung an einen früheren Zeitpunkt anknüpfen als an den Beginn der Dreiwochenfrist? Beginnen Dreiwochenfrist oder Insolvenzantragspflicht erst mit Kenntnis des Antragspflichtigen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung oder genügt bloße Erkennbarkeit? Ist zwischen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu differenzieren? Muss zwischen Auszahlungsverbot und allgemeiner Antragspflicht unterschieden werden? Gibt es Unterschiede nach einzelnen Gesellschaftsformen? Hat § 15a Abs. 1 InsO strafrechtlich andere Voraussetzungen als zivilrechtlich? Was bedeutet Kenntnis und objektive Erkennbarkeit? Sind vermittelnde Lösungen denkbar? Welche Beobachtungs- und Überwachungspflichten treffen Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder? Welche Bedeutung habe Krisen- bzw. Insolvenzreifeanzeichen? Der Autor entwickelt angemessene subjektive Kriterien für die Insolvenzantragspflicht insbesondere im Fahrlässigkeitsbereich und zeigt Maßstäbe für die daran anknüpfenden Rechtsfolgen auf.
Jörg Schädlich Livres


Das Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen betrifft eine breite Palette von Schuldnern, von Verbrauchern mit einer einzigen Verbindlichkeit bis hin zu großen Einzelunternehmern mit zahlreichen Filialen und Mitarbeitern. Jährlich werden bundesweit über 100.000 neue Verfahren eröffnet. Die Insolvenzordnung, die vor etwa 15 Jahren in Kraft trat, ist weiterhin im Wandel. Seit dem 1.7.2014 gibt es eine neue Insolvenzrechtsform, die die Verfahren für Verbraucher an das Regelinsolvenzverfahren angleicht, den Zeitraum bis zur Restschuldbefreiung verkürzt und die Rechte der Gläubiger stärkt. Dieses Buch erläutert die wesentlichen Grundlagen des Insolvenzverfahrens für natürliche Personen anhand des typischen Ablaufs in verständlicher Weise. Es bietet besonders denjenigen, die nicht ausschließlich im Insolvenzrecht tätig sind, einen kompakten Zugang zu dieser komplexen Materie. Die Inhalte umfassen die formellen und materiellen Voraussetzungen des Verfahrensablaufs, die Wirkung der Verfahrenseröffnung, das Restschuldbefreiungsverfahren, die Verfahrenskostenstundung sowie die Grundzüge der Insolvenzanfechtung und des Insolvenzplans.