Das Prosadebüt „Tagwan“ von Franziska Füchsl erzählt von Wanderschaften durch wunderliche Landstriche, in denen eine Scheuche, eine Wache und eine Lumpensammlerin tagwandeln. Begegnungen mit einer einbeinigen Puppe, einem sprechenden Spat, Pinocchio und dem Flicker Woitsch akzentuieren das Widerspenstige, das allen Figuren und deren Ambiente anhaftet. Durch das Aufklauben, Abklopfen und Streuen von dialektalen oder teils schon lange aus dem Sprachgebrauch verschwundenen Wörtern stellt die Autorin ein faszinierendes, gleichsam aus der Zeit gefallenes Textgebilde her. „Luder“, „Scheuche“, „Zussa“ oder das titelgebende „Tagwan“ (Tagwerk) gewinnen als lexikalische Wiedergänger frische Strahlkraft. Mit einem selten anzutreffenden dichterischen Spürsinn gelingt es der Autorin, mittels Adaptierung sprachexperimenteller Verfahren landläufig vertuschte soziale Verwicklungen freizulegen. Franziska Füchsls erstem Prosa-Wurf verdankt sich nicht weniger als die Erfindung eines bis dato in der Literatur fehlenden Paradigmas: des weiblich verqueren Schelmenromans im Gewand innovativer Sprachkunst.
Franziska Füchsl Livres



Die Straßen sind sichtbar
Erzählungen
Rätselhafte Begegnungen mit Nachbarn, mit einer „Geschützabwerferin“, Beobachtungen von driftenden Passant: innen und strauchelnden Tauben lassen Versehrtheiten spürbar werden, die (auch buchstäblich) vom Zupflastern individueller Spielräume herrühren. Was landläufig als vertraut und unproblematisch wahrgenommen wird, ein akkurat eingerichteter Park, nachträglich gepflanzte Alleen, gerasterte Wohnviertel, offenbart sich in Franziska Füchsls Die Straßen sind sichtbar als heikel, wird gerade darin die strukturelle Feindseligkeit einer allgegenwärtigen Zurichtungsmaschinerie sichtbar. Die Erzählerinnen versuchen, sich gegenüber solchen Umgebungen so etwas wie Souveränität zu bewahren: einerseits durch eine Sicht auf die Welt aus dem Tiefparterre, andrerseits anhand eines überraschenden sprachlichen Zugriffs auf die Dinge und Zustände nach dem eigenen Augenschein. Losgelöst aus gewohnten Begriffsbahnen verbinden sich Wörter und Wendungen auf neue Art, schlagen Wurzeln und verbinden im poetischen Bild Mensch mit Baum, mentale Vorgänge mit physischer Natur, verschalten Außenwahrnehmung mit Innensicht. Franziska Füchsls Erzähl-Dichtungen lassen solcherart die Narben und klaffenden Wunden heutigen Lebens im systemischen Zusammenhang erkennbar werden.
In ihrem Debütband rätsel in großer schrift lotet die Autorin Franziska Füchsl Distanzen aus: Distanzen zwischen den Wörtern, kästchenweise, Wort für Wort, Bild um Bild. Da ist die Geschichte eines Freundes, der sich in einem Rätselbuch verirrt zu haben scheint. Wie jemanden zurückholen, der allem Anschein nach auf ewig verloren ist? Diese Frage schwingt mal laut, mal leise, aber dennoch beständig zwischen den Zeilen dieses Textes. Und die Autorin beantwortet sie auf eine eindrückliche Art und Weise: mit der Sprache, und nur mit der Sprache.