Claus Köhler Livres






Auf drei wirtschaftspolitischen Gebieten bedarf es eines Umdenkens: Erstens, die Wirtschaftspolitik sollte neben dem Ziel Preisstabilität auch das Ziel Vollbeschäftigung quantitativ definieren und anstreben. Die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern ist Ursache von Armut, Hunger und Migration. Menschen müssen in ihren eigenen Ländern Chancen erhalten, ihr Leben zu gestalten. Die Ziele Vollbeschäftigung und Preisstabilität müssten, so wie heute schon in den USA, von den Zentralbanken wahrgenommen werden. Zweitens, die globale Wirtschaft mit Devisen zu versorgen, sollte nicht mehr einer nationalen Währung wie heute dem US-Dollar obliegen, sondern einer internationalen Organisation, die die Weltwirtschaft mit einer internationalen Währung versorgt. Drittens, Schwankungen der Wechselkurse sollten begrenzt werden. Hierzu könnten wichtige Volkswirtschaften ihre Wechselkurse auf dem Pfad der Kaufkraftparitäten halten. Die Devisenkursarbitrage würde dann über den Markt für mehr Wechselkursstabilität sorgen.
Die Wirtschaftspolitik steht vor der Herausforderung hoher Arbeitslosigkeit, die zu zweistelligen Quoten geführt hat. Um diesen Trend umzukehren, muss die Nachfrage nach Arbeitskräften das Angebot übersteigen, was geschieht, wenn das Wachstum des realen BIP die Wachstumsrate des Produktionspotenzials (aktuell 1,5%) übertrifft. Öffentliche Ausgaben spielen eine entscheidende Rolle, da sie etwa 50% des BIP ausmachen. Kürzungen bei den öffentlichen Bruttoinvestitionen, wie in Deutschland, bremsen das Wirtschaftswachstum, während Erhöhungen es stimulieren. Auch die Konsolidierung des öffentlichen Haushalts beeinflusst das Wachstum; ein Sparkurs verlangsamt dieses und erhöht die Haushaltsdefizite. In der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) sind die Defizitregel von 3% und die Schuldenstandsregel von 60% sinnvoll, solange eine einheitliche Finanzpolitik fehlt. Diese sollten durch eine Ausgaberegel ergänzt werden, die eine Zuwachsrate der öffentlichen Ausgaben anstrebt, die mit der von der Regierung angestrebten Fortschrittsrate (in Deutschland 2%) bei Preisstabilität übereinstimmt. Die Geld- und Kreditpolitik der EZB unterscheidet sich positiv von der deutschen Finanzpolitik durch ein klares Konzept, das auf kurzfristigen und mittelfristigen Analysen basiert. Ein Referenzwert für die Geldmengenentwicklung unterstützt die geldpolitische Orientierung, während starke Schwankungen der Wechselkurse den Waren- und Dienstleis
Nicht erst seit der Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken ist Geldpolitik internationaler geworden. Die Strahlkraft geldpolitischer Entscheidungen vor allem der US-Notenbank reicht weit über die Grenzen des US-amerikanischen Währungsraumes hinaus. Das heißt auf der anderen Seite, dass sich Zentralbanken anderer Währungsräume internationalen Einflüssen ausgesetzt sehen. Die Vorstellung von einer nahezu autonomen, rein binnenwirtschaftlich ausgerichteten Geldpolitik gehört für die meisten Zentralbanken der Vergangenheit an. Im vorliegenden Sammelband werden einzelne Aspekte einer „Geldpolitik ohne Grenzen“ thematisiert. Den Auftakt bilden Beiträge zur Geldpolitik in Schwellenländern und zu Aspekten der Europäischen Währungsunion. In den darauffolgenden Artikeln werden Gesichtspunkte nationaler Geldpolitik mit grenzüberschreitenden Implikationen behandelt, so etwa die Rolle von Vermögenspreisen in der Geldpolitik, die Problematik des geldpolitischen Endzieles einer Inflationsrate von Null Prozent, die Transmission monetärer Impulse sowie die tatsächlichen rechtlichen Grenzen der Europäischen Zentralbank. Den Abschluss bildet ein Beitrag über die Nutzung neuronaler Netze beim Einsatz geldpolitischer Instrumente.
Der vorliegende Kurzkommentar zu den Beschlüssen für eine fehlentwicklungsfreie wirtschaftliche Entwicklung zeigt die Bemühungen des Europäischen Rates, die Arbeitslosigkeit zu verringern, ohne die Preisstabilität zu gefährden. Diese Beschlüsse sind auch ein Dokument der Zähflüssigkeit des Integrationsprozesses in Europa. Von der Unterzeichnung der Römer Verträge bis zur EWU vergingen mehr als 40 Jahre. Erst mit der Schaffung des Europäischen Systems der Zentralbanken, das vorrangig für stabile Preise zu sorgen hat, ist die geld- und kreditpolitische Aufgabe befriedigend gelöst worden. Man muss sich weiter in Geduld üben, ehe man wird feststellen können, dass auch die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen gegeben sind, um zu einem hohen Beschäftigungsniveau zu gelangen. Diese Arbeit ergänzt den Volkswirtschaftlichen Kurzkommentar zu den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Währungsunion. Sie führt ein wenig durch den Dschungel der vertraglichen Grundlagen und gefassten Beschlüsse des Europäischen Rates, mit denen man sich einer fehlentwicklungsfreien wirtschaftlichen Entwicklung in der EWU nähern will. Aus dem Vorwort von Claus Köhler
Elf europäische Staaten haben ihre nationalen Währungen aufgegeben und den Euro eingeführt. Ein Raum ohne Binnengrenzen kann nicht dauerhaft bestehen, wenn Währungsaufwertungen und -abwertungen die wirtschaftliche Entwicklung stören. Diese Einflüsse entfallen nun, was durch die Globalisierung der Märkte verstärkt wurde. Einzelne Staaten konnten hochtechnologische Produkte nicht allein herstellen. Obwohl Airbus und die Ariane-Rakete von mehreren europäischen Staaten gemeinsam produziert werden, war internationale Wettbewerbsfähigkeit schwer zu erreichen, solange Währungsrisiken kostenbelastend abgesichert werden mussten. Mit dem Euro entfällt dieser Bedarf. Zudem hatten die Zentralbanken in der EU zunehmend Schwierigkeiten, eine eigenständige Geld- und Kreditpolitik durchzusetzen, da ihre Bemühungen durch Geld- und Kapitaltransaktionen aus dem Ausland beeinträchtigt wurden. Mit der Einführung des Euro werden aus störenden Auslandstransaktionen steuerbare Inlandstransaktionen. Um eine europäische Währung zu schaffen, die das Vertrauen der Bevölkerung gewinnt, war eine neue Struktur des Zentralbanksystems notwendig. Die Verträge von Maastricht und Amsterdam schufen einen soliden Rahmen für die europäische Geld- und Kreditpolitik. Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB), mit der Europäischen Zentralbank (EZB) im Mittelpunkt, ist unabhängig von politischen Einflüssen und hat die Aufgabe, Preisstabilität zu sichern. Es wurde
Fünf Jahre nach der Wiedervereinigung hat sich in Ostdeutschland der wirtschaftliche Alltag etabliert, was Anpassungen und das Zurückschrauben von Ansprüchen erfordert, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Der Transformationsprozess ist wissenschaftlich noch nicht vollständig aufgearbeitet. Auf einem Symposium des IEW im September 1995 wurden vier zentrale Aspekte behandelt: die Privatisierung von Unternehmen, die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen, Arbeitskultur und Arbeitslosigkeit sowie die Exportbasis. Greiner, Jochem und Sell zeigen, dass der Ansatz der Treuhandanstalt, von Investoren konkrete Zusagen für Investitionen und Arbeitsplätze zu verlangen, zu inkonsistentem Verhalten führen kann, was oft in der Nichterfüllung dieser Zusagen endet. Brüggemann und Klein analysieren Verzögerungen im Privatisierungsprozess in Mittel- und Osteuropa und betonen die strengeren Budgetrestriktionen östlicher Privatisierungsagenturen im Vergleich zur Treuhandanstalt, die die Unternehmenspolitik ausländischer Investoren kaum beeinflussen können. Ribhegge vergleicht die Haushaltslage der Stadt Frankfurt (Oder) mit der westdeutschen Stadt Flensburg, um die finanzielle Not der ostdeutschen Kommunen zu verdeutlichen. Cezanne thematisiert die gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizite aufgrund umfangreicher Wirtschaftsförderung. Sahner beschreibt, dass traditionelle Werte in Ostdeutschland als Transformationsbremse wirken, jedoch auch