Helmut Ridder Livres






Helmut Ridder (1919 - 2007) war ein herausragender kritischer Verfassungsrechtslehrer und Politikwissenschaftler der Nachkriegsgeschichte. Verfassungswirklichkeit und Verfassungsrecht konfrontierte er in einem aufgeklarten Positivismus auf der Basis des dem Grundgesetz zugrunde liegenden historischen Kompromisses. Er trug dazu bei, dass die Grundrechte lebendig wurden, und mobilisierte die Erfahrungen vor allem aus der gescheiterten Weimarer Republik, um die innere Aneignung demokratischer Strukturen auch in den Zeiten des Kalten Krieges zu befordern. Er konzipierte und interpretierte eine soziale Ordnung des Grundgesetzes, die von zentralistischer Verwaltungswirtschaft gleich weit entfernt war wie von radikalem Marktliberalismus. Er bezog bei allen bedeutenden historischen Konflikten bis zur Wiedervereinigung dezidiert Stellung, so dass aus der hier anlasslich seines 90. Geburtstages vorgelegten Auswahl seiner Schriften ein verfassungsrechtliches Gegenbild mit den verschutteten Alternativen entsteht. Sein Werk gehort somit zum Bildungskanon eines jeden kritischen Juristen. Ridders umfassendes historisches Wissen, seine analytische Begriffsscharfe und sein hochliterarischer Stil machen die Lekture seiner Texte auch fur nachfolgende Generationen zu einem intellektuellen Vergnugen voller Denkanstoae.
Die soziale Ordnung des Grundgesetzes
Leitfaden zu den Grundrechten einer demokratischen Verfassung
- 168pages
- 6 heures de lecture
Vor mehr als 25 Jahren ist das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Im Auftrag der westlichen Besatzungsmächte eilends als notdürfti ges Verfassungsgewand für ein vorläufiges westdeutsches Staatsfragment geschnei dert, ist es, wie die Bundesrepublik selbst, spätestens durch die „Ostverträge“ jener Vorläufigkeit enthoben worden, die zu seinem Anspruch auf Menschen und Gebiet jenseits der Grenzen gehörte. Diese autonom gesetzte Mission hat die Ge schichte kassiert, nachdem „der Westen“ das Pochen auf sie lange toleriert und, frei lich tunlichst ohne sich vor dem Alliierten des Weltkriegs gegen den Faschismus all zusehr moralisch zu entblößen, gefördert hatte. Auch „europäischer“ Atlantismus von ultramontanem Format ist nun eher störend geworden. So ist die in der Präambel des Grundgesetzes angesprochene „Übergangszeit“ zu ende gegangen, ohne daß dieses ziemlich lautlose Erlöschen zugleich das Ende des Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland darstellte. Da es nie zu den Stärken deutscher Politik und Amtlichkeit gehört hat, Lautloses zu registrieren und auf Lautloses zu reagieren, hat es sich nicht gebührend herumgesprochen. Auch nach Karlsruhe ist die Kunde noch nicht gedrungen, wie z. B. dem „Kyffhäuser Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts zum „Grundvertrag“ zwischen der Bundes republik Deutschland und der DDR zuverlässig entnommen werden kann. Und daß der subalterne Biereifer, mit dem das amtliche Teutonentum an Rechtsstaat und Demokratie Maß nimmt, abgekühlt sei, läßt sich im Blick auf die blühende poli tische Ketzerverfolgung weiß Gott nicht sagen.
Die aktuellen Auseinandersetzungen im Rahmen der Ausländer- und Sozialpolitik, die zunehmend auch „auf der Straße“ ausgetragen werden, rücken das Versammlungsrecht wieder in den Blickpunkt. Damit werden auch Fragen laut wie: Garantiert das geltende Recht die freie Meinungsäußerung oder stehen historisch bedingte Ordnungsgedanken im Vordergrund? Welche Auslegungsspielräume bieten die einzelnen Bestimmungen? Und: Wird das aus den 50er Jahren stammende Versammlungsrecht den veränderten Bedingungen im vereinten Deutschland und gemeinsamen Europa gerecht? Der führende Kommentar zum Versammlungsrecht von Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier hat seit seinem Erscheinen kontinuierliches Interesse über die Fachpresse hinaus gefunden und ist aus dem juristischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Das Werk bietet eine geschichts- und sozialwissenschaftlich fundierte Kommentierung der einzelnen Bestimmungen und ihrer Anwendung in der Praxis. An vielen Stellen liefert es aber auch weiterführende Anregungen und vielstimmige Argumentationshilfen, die Defizite des geltenden Rechts nicht aussparen und Wege zu seiner demokratischen Weiterentwicklung weisen. Aus den Besprechungen: 'Enzyklopädie des Versammlungsrechts. das Werk enttäuscht keine noch so hochgespannte Erwartung.überall vorzügliche methodische Arbeit.' Christoph Gusy, in: JZ 1993 '. geschlossen und aus einem Guß.' Helge Rossen, in: NPL 1993 'Das Versammlungsrecht hat mit dieser Darstellung eine tiefgehende verfassungs- und demokratiebestimmte Kommentierung erfahren, die weit über die bisherigen Werke hinausragt." Helmut Fangmann, in: Arbeit und Recht 1994 'Eine Bereicherung der versammlungsrechtlichen Literatur, sauber in der handwerklichen Aufbereitung des Meinungsstandes.' Burkhard Schöbener, in: DÖV 1994
Kommunikation in der Demokratie
Kleine Schriften und Vorträge
Zum 100. Geburtstag Helmut Ridders werden ausgewählte Texte zur Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit aus den 50er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts neu veröffentlicht. Diese waren teilweise nur noch schwer zugänglich. Helmut Ridder war ein politisch engagierter Staatsrechtler, dem vor allem wichtige Impulse für die Entwicklung des Verständnisses kultureller Freiheiten zu verdanken sind. Seine scharfzüngigen Auseinandersetzungen mit konservativen Rechtspositionen vermitteln wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung des Verständnisses der Kommunikationsfreiheiten als gesellschaftlicher Freiheiten, die sich in der Stellung als Abwehrrechte nicht erschöpfen. Sie sind von zeitgeschichtlichem Interesse, aber fast alles ist auch heute rechtstheoretisch und rechtspraktisch für ein prozesshaftes Verständnis der Kommunikationsgrundrechte als Rechte auf Streitbarkeit (in) der Gesellschaft von Bedeutung.