Walter Gagel Ordre des livres

Die „Wende“ war Anlass, der Entwicklung der politischen Bildung vor 1989 nachzugehen. Sie wird als Parallele zur Westorientierung der Bundesrepublik nach 1945 und zu dem damit verbundenen Bruch mit der deutschen geschichtlichen Tradition dargestellt. Auch die politische Bildung trennte sich von traditionellen Konzepten der politischen Erziehung in Deutschland. Die pädagogischen und didaktischen Konzeptionen werden in ihrem politischen und sozialen Umfeld beschrieben. Bezüge zur geistesgeschichtlichen Entwicklung werden nachgewiesen: Die Rezeption des amerikanischen Pragmatismus traf zusammen mit dem Einfluss des Existentialismus und des Marxismus. Das Buch ist der Versuch einer - trotz aller Kritik - verstehenden Geschichte der politischen Bildung in der Bundesrepublik vor der Einheit und während des Einheitsprozesses.

Diese Geschichte der politischen Bildung ist ein Ergebnis der deutschen Einheit, die mein Interesse an der historischen Betrachtung meines Fachgebiets geweckt hat. Die erste Lektion gibt Rechenschaft darüber, während die Entstehung des Buches einer Gelegenheit zu verdanken ist. Es basiert auf einer Vorlesung, die ich im Sommer 1991 an der Universität Halle-Wittenberg gehalten habe. Bis zur Endfassung habe ich diese Vorlesung gründlich überarbeitet und stark erweitert, jedoch die didaktische Konzeption beibehalten: eine Gliederung in zwölf thematisch abgeschlossene Einheiten mit dem Ziel zu belehren. Bei der Arbeit an der Endfassung hatte ich nicht nur Leser aus den neuen Bundesländern, sondern Interessierte aus ganz Deutschland im Blick. Ich wollte den in der Geschichte ruhenden Bestand an Ideen und Erkenntnissen zum politischen Unterricht und zur politischen Bildung vergegenwärtigen, damit nichts in Vergessenheit gerät, wenn jüngere Generationen nachfolgen. Als Autor bin ich zugleich Miterlebender. Seit meiner zweiten Staatsarbeit von 1957 und meiner Tätigkeit in der Lehrerfortbildung 1963 beschäftige ich mich ausschließlich mit politischer Bildung und politischem Unterricht. Diese persönlichen Erfahrungen prägen mein Geschichtsbild, weshalb auch Subjektives enthalten ist. In diesem Sinne gilt das Wort von Emile Zola über die Kunst: Geschichtsschreibung bietet Ereignisse, gesehen durch ein Temperament.

Die „Wende“ war Anlass, der Entwicklung der politischen Bildung vor 1989 nachzugehen. Sie wird als Parallele zur Westorientierung der Bundesrepublik nach 1945 und zu dem damit verbundenen Bruch mit der deutschen geschichtlichen Tradition dargestellt. Auch die politische Bildung trennte sich von traditionellen Konzepten der politischen Erziehung in Deutschland. Die pädagogischen und didaktischen Konzeptionen werden in ihrem politischen und sozialen Umfeld beschrieben. Bezüge zur geistesgeschichtlichen Entwicklung werden nachgewiesen: Die Rezeption des amerikanischen Pragmatismus traf zusammen mit dem Einfluss des Existentialismus und des Marxismus. Das Buch ist der Versuch einer - trotz aller Kritik - verstehenden Geschichte der politischen Bildung in der Bundesrepublik vor der Einheit und während des Einheitsprozesses.

Die politische Didaktik war bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich ein Thema für Didaktiker, mit spezifischer Fachliteratur und wiederkehrenden Tagungen. Heute hat sich die Szene des politischen Lernens jedoch grundlegend gewandelt. „Politik“-Richtlinien sind zu einem zentralen Thema bildungspolitischer Debatten geworden, wobei Massenmedien, Elternverbände und Fortbildungsakademien aktiv teilnehmen. In den Länderparlamenten finden Hearings und Debatten statt, und politische Parteien machen die Problematik zu einem Element ihrer Auseinandersetzungen um Wählergunst. Zum ersten Mal in der Geschichte der politischen Bildung in Deutschland ist Öffentlichkeit sichtbar und wirksam geworden. Dies geschah zeitgleich mit der Auffassung der politischen Didaktik, die Grundforderungen der Curriculumtheorie aufzugreifen und umzusetzen. Insbesondere ging es um die Forderung nach einer umfassenden Legitimation für Lehrpläne und einer detaillierten Begründung aller Lehrplänelemente. Diese Entwicklungen weckten die Hoffnung auf eine Verbesserung des Konsensprozesses über Lehrpläne.