Die dritte Germanwatch-Trendanalyse zur globalen Ernährungssicherung zeigt alarmierende Entwicklungen für die Ernährung in Entwicklungsländern. Die pro Kopf verfügbare Produktion an Grundnahrungsmitteln sinkt, bedingt durch den politischen Fokus auf Agrarenergie in Europa und Amerika sowie die verstärkte Nutzung von Getreide und Soja als Viehfutter. Zudem nimmt die pro Kopf verfügbare Agrarfläche rapide ab, was auf Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Erosion und Wüstenausbreitung zurückzuführen ist. Der globale Klimawandel stellt das größte Risiko dar: Die Erwärmung führt in vielen Ländern des Südens zu geringeren Erträgen, während extreme Wetterereignisse weltweit zu häufigeren Missernten führen. Diese Faktoren verschärfen das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln und erhöhen die Preisschwankungen, was besonders arme Menschen gefährdet. Finanzanlagefonds haben die Agrarpreise kurzfristig steigen lassen, was in Nahrungsmittel importierenden Entwicklungsländern langfristig zu höheren Preisen auf lokalen Märkten führt. Die politischen Reaktionen auf die wachsenden Risiken für die Ernährungssicherung sind bislang unzureichend und teilweise kontraproduktiv. Germanwatch formuliert daher dringende Forderungen an die europäische und deutsche Agrar-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Klemens van de Sand Livres




Trotz der kontinuierlichen Zunahme der globalen Produktion stiegen die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel in den Jahren 2007/2008 und nach einem Rückgang ab Ende 2010 dramatisch an. Die zweite Germanwatch-Trendanalyse zur globalen Ernährungssicherung zeigt, dass die wichtigste Ursache dafür der durch die Politik initiierte Agrarsprit-Boom in Europa und Amerika ist. Diese staatlich geförderte Agrarenergie verdrängt die Nutzung von Pflanzen für die menschliche Ernährung und führt zu höheren Zuwachsraten als beim Fleischverbrauch. Dies befeuert die Spekulation auf den Agrarrohstoff- und Finanzmärkten: Die Zahl der Transaktionen, die nicht den physischen Erwerb von Agrarrohstoffen betreffen, hat stark zugenommen. Diese „Finanzialisierung“ der Rohstoffmärkte, zusammen mit Exportverboten in wichtigen Erzeugerländern und zunehmenden Missernten aufgrund des Klimawandels, trägt zu den starken Preisschwankungen bei. Im Gegensatz dazu verharren die Lebensmittelpreise in den meisten Entwicklungsländern seit 2008 auf hohem Niveau. Germanwatch betont die Dringlichkeit von Forderungen, die zehn führende internationale Organisationen im Frühjahr 2011 erhoben haben: die Streichung sämtlicher Subventionen und Mindestvorgaben für die Beimischung von Kraftstoffen aus Nahrungspflanzen sowie mehr Markttransparenz und Limitierung von Termingeschäften im Agrarrohstoffhandel.
In den Jahren 2007 und 2008 stiegen weltweit die Nahrungsmittelpreise plötzlich dramatisch an und führten zu einer Ernährungskrise, deren Echo heute noch nachhallt. Die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel fielen nach der Krise zunächst wieder, aber weiterhin hungern rund eine Milliarde Menschen. Zudem steigen die Getreidepreise seit den jüngsten Ernteausfällen unter anderem in Russland und Pakistan wieder an. Das vorliegende Hintergrundpapier untersucht die Trends bei wesentlichen Faktoren für die weltweite Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Die Daten untermauern die These, dass die Engpässe in der globalen Ernährungssicherung nicht so sehr im begrenzten Potenzial für Produktionssteigerungen liegen, sondern vielmehr in der Änderung der Landnutzung für die Treibstoff- und Fleischproduktion. Die daraus resultierende Verknappung der Nahrungsmittel und die Ernteausfälle aufgrund von – offenbar infolge des Klimawandels zunehmenden – Wetterextremen, führen zu extremen Preisschwankungen für Grundnahrungsmittel und bilden den Nährboden für die in den letzten Jahren beobachtete horrende Spekulation an den Getreidebörsen. Die Trendanalyse kommt zu der Schlussfolgerung, dass energie- und finanzpolitische Regulierungsmechanismen eingeführt werden müssen, die mit dem Ziel der Ernährungssicherung vereinbar sind.