Willi Hirdt Livres






Die Flugschriftenliteratur Italiens, die in Form meist knapp gehaltener stampe popolari den Weg vom Mittelalter bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts durchläuft, öffnet dem Leser ein weites Blickfeld in Kultur und Interessen des Volkes. Neben der Höhenkammliteratur Italiens vollzieht sich die Entwicklung einer Trivialliteratur, die zwischen Sizilien und dem Norden des „Kontinents" mit unterschiedlichsten Themen und verschiedensten Dialekten Einblick in das Alltagsleben vergangener Zeiten ermöglicht. Mit einer Fülle erhaltener Improvisationen ernster und lustiger, erotischer und satirischer, historischer und theologischer Motive werfen die zumeist anonymen Bänkelsänger und Gaukler unübersehbares Licht auf die volksnahe Welt des Mittelalters. In dessen Gesellschaften tritt auch die Figur des Zigeuners auf, der im Genus der Flugschriften verankert erscheint, im vorliegenden Fall der zingaresca. Der Band Zigeunerstücke steht am Beginn einer umfassenden Dokumentation italienischer Volksdichtung.
Giordano Bruno
Tragik eines Unzeitgemässen
Barfuß zum lieben Gott
Der Freskenzyklus Andrea del Sartos im Florentiner Chiostro dello Scalzo
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Der Freskenzyklus des Florentiner Chiostro dello Scalzo ist eines der ungewöhnlichsten Kunstwerke der Renaissance. Der Auftrag für die Bildnisse dieser Freskomalerei ergeht 1509 an Andrea del Sarto. Die biographisch-thematisch differenzierten Lebensumstände der einzelnen Episoden stehen für Glaubenstatsachen. Diese beziehen sich, exemplarisch für die Kunst der Zeit, auf das Schicksal Johannes des Täufers. Die schöpferische UmSetzung vom Text der Vita die San Giovambattista ins Bild verdeutlicht die Epochenwende zwischen klassizistischem Humanismus und früher Neuzeit. Die Florentiner „Barfüßer“ sind sich dessen bewusst. Die sprichwörtliche Wendung „Bilder lesen“ ist mit diesem Buch nicht metaphorisch gefasst, sondern konkret.
Neue Blicke auf das „ewig Weibliche“ bei Chassériau und Moreau In der Fusion von Malerei und Dichtung artikuliert sich die Befreiung der Romantiker von den Fesseln der klassizistischen Tradition. Der französische Beitrag in der Geschichte künstlerischer Darstellungen zum Thema des beau führt zur konsequenten Entwicklung eines irreversiblen Paradigmenwechsels. Das Pathos des Schönen weicht dem Postulat der Wahrheit. Das ikonographische Referenzsystem liefern die Gemälde Esther se parant (1841) von Théodore Chassériau und L'Appari-tion (1876) von Gustave Moreau. In beiden Gemälden artikuliert sich eine lebensphilosophische Perspektive, die im Zeichen rätselhafter Ambiguität steht. Ein vergleichender Blick auf die Bildnisse verdeutlicht den Wandel des „féminin éternel“, die Abkehr vom „ewig Weiblichen“ im Sinne Goethes und die Hinwendung zu einer Weiblichkeit, deren Macht im Angesicht des Todes zum Zeichen der Negation, des Nichts, gerät. Es ist Gustave Moreau, der den radikal eingeschlagenen Weg des Meisters in eine avantgardistische Richtung ans Ende führt.
Giorgiones schöpferische Tätigkeit gipfelt in dem 1506/07 entstandenen Gemälde Die drei Philosophen. Das Bildnis gilt bis auf den heutigen Tag als Rätsel. Tatsächlich hängt die Enträtselung der Botschaft Giorgiones vom Zusammenwirken zwischen Kunst- und Literaturgeschichte ab. Die Suche nach dem „gemalten Schriftsinn“ liefert den Schlüssel zur Enthüllung jener Artefakte, die mit allegorisierender Absicht verrätselt wurden.
Edouard Manet und Emile Zola gehören zu den bedeutendsten Repräsentanten der französischen Kultur des Fin de siècle. Der Schriftsteller und Manet-Apologet Zola verfaßte einen großen Teil seiner naturalistischen Romane in engem Kontext mit der Malerei des Impressionismus. Zola bezog den Maler ebenso in seine Narrativik ein wie dieser ihm mit einem zugleich den Zeitstil einfangenden Porträt ein Denkmal Setzte. Willi Hirdts Studie befaßt sich mit Manets Bildnissen Im Treibhaus und Nana und arbeitet die textlichen Bezüge zwischen den beiden Gemälden und Romanen Zolas heraus.