Das ausserordentliche Interesse, das Kafkas Werk in den letzten Jahrzehnten hervorrief, lenkte das literarische Augenmerk auch auf seine Freunde, den «Prager Kreis». Nicht immer aber zum Vorteil der Autoren - das Interesse an ihnen galt häufig im eigentlichen Sinne der Erforschung von Kafkas Leben und Werk. Die Konferenz über die Prager deutsche Literatur, die 1965 auf Schloss Libice stattfand, brachte eine Wendung, die sich aber nicht in dem erhofften Masse vollzog. Die Verfasserin der vorliegenden Studie über fünf Autoren dieses Kreises möchte die Lücke in der Erforschung der deutschsprachigen Literatur der ehemaligen Kronländer und Prags im besonderen verkleinern. Der hohe literarische Stand in Prag der Jahre 1910 - 1938 wurde von einer ethnischen Minorität geschaffen. Ihr gehören die fünf im folgenden betrachteten Autoren an. Die Verfasserin weist auf den Einfluss der drei Kulturen, des nationalen und sprachlichen Zwists und des erwachenden jüdischen Volksbewusstseins auf die Geisteshaltung dieser Autoren hin. Sie kommentiert die Differenziertheit in ihrem Reagieren anhand ihrer Werke, aber auch die Uebereinstimmung, die sich vor allem in der Vorrangstellung zeigt, die der Frage nach der Willensfreiheit des Menschen eingeräumt wird.
Margarita Pazi Livres






Staub und Sterne
Aufsätze zur deutsch-jüdischen Literatur
Einblicke in die Vielfalt deutsch-jüdischer Literatur - von einer der besten Kennerinnen und bedeutendsten Vermittlerinnen. Was ist deutsch-jüdische Literatur? Wer ist als jüdischer Schriftsteller zu verstehen? Welche jüdischen Autoren verstehen sich selber als solche? Um diese Fragen kreisen die Aufsätze von Margarita Pazi. Aus der Fülle ihrer Arbeiten wurden 15 Aufsätze über deutsch-jüdische Autoren des 20. Jahrhunderts ausgewählt, die die Vielfalt dieser Literatur widerspiegeln. Margarita Pazi hat entscheidend zu deren Verständnis beigetragen. Ein Teil der Arbeiten beschäftigt sich mit Autoren aus dem böhmisch-mährischen und tschechischen Raum. Margarita Pazi, aus Böhmen stammend, war die beste Kennerin der reichen deutsch-jüdischen Literatur dieses Kulturraums. Sie zeigt, wie jüdische Intellektuelle, darunter Max Brod, Egon Erwin Kisch, Franz Kafka, Paul Kornfeld, Franz Werfel und Ludwig Winder, sich ihres jüdischen Erbes und zugleich ihres Europäertums bewußt wurden und dem auf ganz unterschiedliche Weise Ausdruck verliehen. Weitere Porträts gelten Karl Kraus, Stefan Zweig, Kurt Tucholsky, Nelly Sachs, Else Lasker-Schüler und Jenni Aloni. Letztere ist nicht nur eine deutsch-jüdische, sondern zugleich eine israelische Autorin, die in einem reichen erzählerischen Werk das Leben in dem jungen Staat, aber auch ihre Kindheits- und Jugendjahre in Deutschland beschreibt, das sie erst 1939 verlassen hat.
Das durch die politischen zeitbedingten Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unstete Leben Ernst Weiß' spiegelt sich in Themenwahl und Motivgestaltung seiner epischen, dramatischen und lyrischen Werke. Die bedeutsame Rolle seiner Freundschaft mit Franz Kafka und die traumatischen Eindrücke während der Jahre als Militärarzt an der Ostfront vertiefen die pessimistische Grundhaltung Ernst Weiß', die auch den scharfsichtigen Charakterzeichnungen seiner Protagonisten zugrunde liegt und seinem Werk zeitkritische Bedeutung verleiht. Besonders zu bemerken ist dies in seinem letzten Roman, der wohl als der erste «Hitler»-Roman gelten kann.