Tanz ins Zwanzigste
Kunst der Seitenbühne aus dem Fundus LETTER Stiftung Köln






Kunst der Seitenbühne aus dem Fundus LETTER Stiftung Köln
Graphik- und Medaillenkunst zum Ersten Weltkrieg. Erscheint anläßlich der Ausstellung im Bayerischen Armeemuseum Ingolstadt 26.3.-26.7.2015
Graphik- und Medaillenkunst als „heimliche Künste der Schublade? waren eher als die offiziöse Malerei zum Ersten Weltkrieg geeignet, die wirklichen, die schrecklichen Seiten des Geschehens in drastischer Weise zu thematisieren. Zwar spiegeln auch sie teilweise offizielle Propaganda wider oder dienten dieser gar, doch wurde ein beträchtlicher Anteil durch seinerzeitige Zensur mißbilligt. Auf jene höchst individuellen Interpretationen konzentriert sich die nach Themengruppen geordnete Auswahl von Werken der Graphiker und des Medailleurs Ludwig Gies: Im motivisch-thematischen Spannungsfeld zwischen trügerischer Idylle, schonungslos-brutaler Realitätskolportage und sinnsuchender Interpretation kollidiert Patriotismus mit Skeptizismus, trifft Militarismus auf wachsenden Pazifismus. Zwar entstanden die weitaus meisten graphischen Zyklen in Deutschland, doch erscheinen auch Beispiele aus anderen Ländern. Daß manche der Künstler erst ab 1919 ihr erlittenes Kriegstrauma in Blattfolgen zu bewältigen suchten, ist schlicht dem Umstand zuzuschreiben, daß sie im Schützengraben eben nicht druckgraphisch hatten arbeiten können. Besonders im deutschsprachigen Raum reflektierten sie tradierte Motivwelten wie den Totentanz und die Allegorie. In Analogie zu gesteigerter inhaltlicher Emphase und emotionaler Erschütterung prägten expressionistische Stilmittel die künstlerische Ausdrucksform.
Ludwig Gies (1887-1966) ist vielen bislang nur als Schöpfer des Bundesadlers und eines umfangreichen kleinplastischen Werkes bekannt. Das jetzt vorliegende Werkverzeichnis seiner Kleinreliefs weist ihn zudem als den offenkundig bedeutendsten deutschen Medailleur im 20. Jahrhundert aus. Abstraktionsvermögen bei gleichzeitiger Gegenständlichkeit, Monumentalität der Form und Komposition unabhängig von der wirklichen Medaillengröße zeugen von der überragenden künstlerischen Qualität dieses Œuvres. Gies hat maßgeblichen Anteil an der Wiederbelebung der Medaillenkunst im 20. Jahrhundert. Gemäß den stilistischen Werkphasen werden deshalb Ikonographie und künstlerische Entwicklung vor dem jeweils zeitgenössischen Hintergrund im Text analysiert. Der einzigartige, inhaltlich kritische Beitrag zum Ersten Weltkrieg und die expressionistische Stilphase finden dabei besondere Berücksichtigung.