Die Herausbildung der »Fallgeschichte« wird im Kontext der ersten deutschsprachigen psychologischen Zeitschrift untersucht. Das »Magazin zur Erfahrungsseelenkunde« (1783-1793), herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Karl Friedrich Pockels und Salomon Maimon, war das erste psychologische Journal in Deutschland. Es versammelte Beobachtungen zu Wahnsinn, Mord, seelischen Störungen und abweichendem Sozialverhalten. Die Pathographien, die überwiegend von Ärzten, Juristen und Theologen, aber auch von Laien protokolliert wurden, trugen zur Psychologisierung der Literatur um 1800 bei und wurden zu Musterfällen der sich formierenden Psychiatrie. Die Beiträge beleuchten die Reichweite und Grenzen des modernen Begriffs der »Fallgeschichte« aus verschiedenen Perspektiven. Themen umfassen die Ästhetik des Falls, die Beziehung zwischen Krankengeschichte und Novelle, sowie die Fallgeschichte als Denkwürdigkeit. Weitere Aspekte sind die Ordnung des Wissens im Magazin, die Analyse von Sprachstörungen und die internationale Rezeption der Fallgeschichten. Die Diskussionen zeigen die Konvergenz anthropologischer und literarischer Theorien und die Verbreitung von Moritz’ Ideen in England.
Sheila Dickson Livres



Beim vierten Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft in Glasgow standen Fragen biographischer und nationaler Identität, kultur- und sozialpolitischer Kodifizierung, Ausgrenzung und Gemeinschaft im Mittelpunkt. Neben komparatistischen Vorträgen, die sich auf intertextuelle Zusammenhänge konzentrieren, stehen interdisziplinäre Beiträge, die sich vor allem mit dem historischen, politischen, sozialen und kulturellen Kontexten auseinandersetzen. Die Krisenerfahrung der Napoleonischen Kriege stärkte unter den Romantikern den Rückbezug auf die eigene literarische Tradition und deren - im Blickwinkel des 20. Jahrhunderts - so problematische Rezeption. Die Fremdheitserfahrung (Arnims Englandbild, Juden und Zigeuner bei Arnim) differenziert die Identitätsbildung auf nationaler, gemeinschaftlicher und individueller Basis. Dabei wird auch diskutiert, weshalb oft eine Verschiebung auf ästhetische (statt philosophisch-politische) Identitätsangebote stattfindet. Weitere Fallstudien widmen sich der erzählerischen Konstruktion von künstlerischer, sozialer, amikaler und Geschlechter-Identität.