In der spannenden Biographie des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss (1884-1963) spiegelt sich die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts auf besondere Weise. Heuss steht für eine bürgerliche Tradition deutscher Demokratiegeschichte. Als Bildungsbürger im 19. Jahrhundert verwurzelt, musste er sich als Politiker, Publizist und Redner im "Zeitalter der Extreme" behaupten. Dabei zeigte er sich erstaunlich immun gegenüber den totalitären Ideologien seiner Zeit.So wurde Theodor Heuss nach 1945 zu einem der wichtigsten Vertreter der demokratischen Neugründung Deutschlands. Als Bundespräsident vermittelte er eine politische Kultur, die ihm im In- und Ausland hohes Ansehen verschaffte und die Bundesrepublik dauerhaft in die westliche Wertegemeinschaft integrierte. Jetzt reinlesen: Inhaltsverzeichnis(pdf)
Ernst Wolfgang Becker Livres






War die Französische Revolution von 1789 der Beginn einer neuen Zeit? Führten Revolutionen und die Beschleunigung von „Zeit“ dazu, dass die Gegenwart von der Zukunft abgekoppelt wurde? Konnte die Vergangenheit nicht mehr als Lehrmeisterin fungieren? Diese Fragen werden durch bedeutende philosophische und literarische Werke der Revolutionszeit angestoßen. Ernst Wolfgang Becker erweitert jedoch den Blickwinkel und untersucht die Zeiterfahrungen in Deutschland während der Französischen Revolution, im Vormärz und in der Revolution von 1848/49 aus erfahrungsgeschichtlicher Perspektive. Er ordnet das Zeitbewusstsein drei politischen Strömungen zu: konservativ, liberal und demokratisch. Revolutionen fungierten nicht als Zäsur im Zeitbewusstsein der Menschen; die Zeitgenossen erwarteten keinen Epochenbruch, sondern einen Wiedereinstieg in einen evolutionären Fortschrittsprozess, der von jeder politischen Strömung unterschiedlich interpretiert wurde. Für Demokraten war eine Revolution ein restaurativer Akt gegen reaktionäre Blockaden, während auch Konservative die Revolutionsgefahr als Ergebnis eines gehemmten Bewegungsbedürfnisses sahen. Es gab keinen Bruch mit der Vergangenheit; Revolutionäre wollten vielmehr an unerfüllte Hoffnungen der Vergangenheit anknüpfen. Die Geschichte blieb somit ein Reservoir für Zukunftserwartungen, und „Zeit“ blieb in einem allgemeinen Fortschrittsprozess verankert.
Theodor Heuss gilt bis heute als der große Vermittler in den Kontroversen, die der Parlamentarischen Rat 1948/49 bei der Erarbeitung des Grundgesetzes geführt hat. Doch seine Rolle geht weit über die eines Brückenbauers hinaus. Heuss vertrat von Beginn an klare verfassungsrechtliche Positionen, die er streitbar und mit Nachdruck verfolgte. So konnte er einige wesentliche Prinzipien des Grundgesetzes gestalten, die langfristig zur Integration der zerklüfteten Nachkriegsgesellschaft und Liberalisierung der Bundesrepublik beitrugen. Allerdings stellt sich die Frage nach der Zukunft unserer Verfassung mit neuer Dringlichkeit, seit mit der jüngsten Krise der Demokratie das Grundgesetz verstärkt unter Druck geraten ist. Deshalb diskutiert die Studie nicht nur die Arbeit von Heuss im Parlamentarischen Rat, sondern auch, inwiefern eine Verfassung Konflikte organisieren und zugleich Konsens stiften kann. Wieviel Konflikt kann die pluralistische Demokratie aushalten? Woraus beziehen wir den Konsens, der Konflikte einhegt? Und welche Antworten kann uns Theodor Heuss für die gegenwärtigen Herausforderungen der liberalen Demokratie und ihrer Verfassung geben?
Theodor Heuss, Vater der Verfassung
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Im Mai 2009 jährt sich zum sechzigsten Mal die Verabschiedung des Grundgesetzes. Aus Anlass dieses Jubiläums gibt die Stiftung zwei zentrale Reden heraus, die Theodor Heuss vor dem Parlamentarischen Rat gehalten hat. Seine Eröffnungsrede am 9. September 1948 wie auch seine Abschlussrede am 8. Mai 1949 stehen als markante Eckpunkte für seine engagierte Tätigkeit in dieser verfassungsgebenden Versammlung. Der Band wird durch einen Essay von Prof. Dr. Jutta Limbach ergänzt.
Am Ende des Jahres 1946 erschütterte ein Skandal die politische Landschaft im deutschen Südwesten. Führende Politiker wie Reinhold Maier, Wilhelm Simpfendörfer und Theodor Heuss sahen sich öffentlicher Kritik ausgesetzt, da ihnen vorgeworfen wurde, im März 1933 dem Ermächtigungsgesetz zugunsten der Hitler-Regierung zugestimmt und sich in der Nachkriegszeit der Verantwortung entzogen zu haben. Um diesen Vorwürfen nachzugehen, richtete der württemberg-badische Landtag 1947 einen Untersuchungsausschuss ein. Der Autor beleuchtet die Umstände der Entstehung dieses Ausschusses, analysiert Argumentationsmuster aus den Zeugenaussagen und skizziert die politische Debatte zu diesem Vorfall im Kontext der Entnazifizierung. Zudem untersucht er die tieferliegenden Ursachen für die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz, die er im Demokratieverständnis des Liberalismus vor 1933 verortet. Der Ausschuss thematisierte dies jedoch nicht und spielte die Entscheidung der bürgerlichen Parteien von 1933 herunter, was laut Ernst Wolfgang Becker eine Art Ermächtigung zum politischen Irrtum darstellt. Dies war symptomatisch für die Erinnerungspolitik in der frühen Bundesrepublik. Der Text basiert auf einem Vortrag von Ernst Wolfgang Becker, gehalten am 13. Juli 2000 in der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus.