Religion und Wissen waren im vormodernen Europa keine Gegensätze. Sie befruchteten sich vielmehr gegenseitig; und ihr komplexes Zusammenwirken hat kraftvoll dazu beigetragen, dass sich in Europa jene spezifische Wissensgesellschaft ausbildete, die im Selbstverständnis der westlichen Moderne bis heute einen prominenten Platz einnimmt. Der Band untersucht, wie im Laufe der Jahrhunderte die Auseinandersetzung mit drei zentralen Themen der Bibel neue Wissensbestände und Formen des Wissens hervorgebracht hat. Die Autorinnen und Autoren gehen aus von den biblischen Aussagen zur Schöpfung, zur Jungfräulichkeit und Mutterschaft Mariens und zur Passion Christi. Sie beobachten, wie aus der immer wieder neuen Aktualisierung und Aneignung dieser Aussagen in Texten, in Bildern und in Ritualen neues Wissen über die Welt entstand – ein Wissen, das Lebensbereiche auch fern der Religion strukturieren konnte und schließlich auch den Geltungsanspruch des Bibeltextes selbst in Frage stellte.
Renate Dürr Livres






Der Epochenbegriff „Frühe Neuzeit“ hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht. Geprägt, um einer fernrückenden Phase der europäischen Politik- und Geistesgeschichte hinterherzuwinken, verwandelte er sich mit dem Ausbau der Universitäten in den 1960er Jahren in den Namen einer eigenen Disziplin. Institutionalisiert durch eigene Lehrstühle, eigene Fachzeitschriften etc. breitete er sich über immer mehr kulturwissenschaftliche Fächer aus. Außerdem wird der Frühneuzeit-Begriff zunehmend für Sachverhalte gebraucht, die nicht ausschließlich oder gar nicht zu Europa gehören: etwa für die jüdische oder gar chinesische Geschichte; für die arabische Literatur. Der Sammelband fragt nach den Gegenwartsinteressen, die für die Verbreitung des Frühneuzeit-Konzepts verantwortlich waren. Er fragt aber auch nach den Erkenntnisproblemen, die seine Verwendung aufwirft.
Nonne, Magd oder Ratsfrau
Frauenleben in Leonberg aus vier Jahrhunderten
Pragmatisches Philosophieren
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Der Versuch, die Frühe Neuzeit als Epoche der doppelten Expansion zu betrachten, wird in diesem Werk umfassend untersucht. Die Autoren aus verschiedenen Disziplinen, darunter Geschichtswissenschaft, Kunst- und Religionsgeschichte, Islamwissenschaft, Sinologie, Ethnologie und Literaturwissenschaft, analysieren die Beziehung zwischen geo-politischer Expansion in neue Welten und wissenschaftlicher Expansion in verborgene und ideelle Bereiche. Sie hinterfragen, wie diese beiden Bewegungen miteinander verknüpft waren und inwiefern sich die frühneuzeitlich-europäische Expansion von anderen Epochen und Regionen unterschied. Im ersten Teil des Bandes werden Kontinuitäten und Brüche der europäischen Expansion beleuchtet, indem die mittelalterlichen Voraussetzungen herausgearbeitet und mit den zeitgenössischen Auffassungen in China, Russland und der maghrebinisch-muslimischen Welt verglichen werden. Der zweite Teil widmet sich der wissenschaftshistorischen Perspektive und zeigt, wie die Wechselwirkungen zwischen den beiden Expansionsbewegungen die Auseinandersetzung mit antiken und mittelalterlichen Denktraditionen intensivierten, ohne dass dies als Bruch mit der Antike interpretiert werden sollte. Der dritte Teil beleuchtet schließlich die Konkurrenz zwischen den europäischen Staaten als treibendes Element dieses Expansionsprozesses.
Trotz der neuen Medien in der Frühen Neuzeit blieb die direkte Kommunikation 'von Angesicht zu Angesicht' entscheidend. Diese fand an spezifischen Orten statt, die eine zentrale Rolle spielten. In Städten und Dörfern waren Wirtshäuser, Tavernen, Marktplätze und Gotteshäuser wichtige Kommunikationsräume. Hier trafen Einheimische und Fremde, Menschen verschiedener Schichten sowie Männer und Frauen aufeinander. Diese Orte waren durch die Obrigkeit reglementiert, jedoch war die Kommunikation nicht auf deren Vorgaben beschränkt. Kirchen, obwohl konfessionell geprägt, wurden zu Räumen, die sowohl religiöse als auch politische Erfahrungen vermittelten und blieben Lebensräume für die Gemeindeglieder. In Wirtshäusern und Tavernen entwickelte sich eine eigene Kommunikationskultur, die den Austausch zwischen verschiedenen sozialen Schichten und Geschlechtern förderte. Der Marktplatz wurde nicht nur zum Zentrum wirtschaftlicher Beziehungen, sondern auch zu einem Ort intensiver politischer und sozialer Interaktionen mit lokalem Bezug. Die Beiträge dieses Bandes analysieren die verschiedenen Handlungs- und Kommunikationsräume im Kontext ihrer Gestaltung, basierend auf neueren soziologischen Theorien, die die Wechselbeziehung zwischen Handlungsraum und Handlung betonen.
Eine erhellende Studie über das Verhältnis von obrigkeitlicher und kirchlicher Macht im Raum der Kirche Der Kirchenraum galt in der Frühen Neuzeit als der zentrale Raum lokalpolitischer Öffentlichkeit: Er besaß immense Bedeutung für die Verhandlung von Herrschaftsansprüchen. An ihm wird deutlich, in welchem Ausmaß die Handlungen aller beteiligter Stände von theologischen oder religiösen Deutungsmustern wie auch von weltlichen Interessenslagen bestimmt waren. Darüber hinaus traten hier nicht nur Geistlichkeit und Obrigkeit, sondern auch die Gemeinden handelnd in Erscheinung. Am Beispiel von Stadt und Kleinem Stift Hildesheim zeigt Renate Dürr exemplarisch, wie im Zeitraum vom 16.-18. Jahrhundert der Kirchenraum nicht nur metaphorisch als kirchlicher Handlungsrahmen verstanden und genutzt wurde, sondern auch als Kirchengebäude, als konkret fassbarer Raum für das Selbstverständnis und die Handlungsmuster von Geistlichkeit, Obrigkeit und Gemeinden von Bedeutung war. Eine der leitenden Fragestellung dieser Arbeit ist darum, in welcher Weise sich der Kirchenraum als Kirchengebäude auf den „Handlungsraum Kirche“ auswirkte und dieser wiederum auf das Kirchengebäude zurückstrahlte.