Oliver Möst ist Brillenträger. Er ist kurzsichtig, ohne geschliffene Gläser vor Augen sieht er alles verschwommen – und zwar sehr. Vor allem deshalb beschäftigt ihn die Frage, wie weit das was er sieht, dem gleicht, was andere sehen, mit oder ohne Brille. Die Welt liefert ja keine Bilder, wir machen sie selbst. Für dieses Buch hat Oliver Möst ganz unterschiedliche Serien fotografiert, alltägliche und sehr spezielle, einige im Studio andere vor Ort in Städten oder am Meer. Wir sehen Akte, Stillleben mit Blumen, die Pokalsammlung seines Vaters, Reiterstandbilder aus ganz Europa aber auch Strandhäuser und Touristen. Für die Aufnahmen hat der Fotograf seine AGFA CLACK umgebaut, sein eigenes Brillenglas mit einer Stärke von 6 Dioptrien verhindert jedes Gefühl von Schärfe. Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund – alles ist gleich unscharf. Was bei einem Blumenstillleben noch als ästhetischer Kunstgriff verstanden werden könnte, wird in anderen Serien zur Irritation. So sehr wir uns auch bemühen, die Bilder lassen sich nicht scharf ziehen. Wir trauen unseren Augen nicht und landen bei der Frage, die Oliver Möst zu seiner Arbeit inspiriert hat. Mariët Meester und Birgit Jooss steuern aus ganz unterschiedlichen Perspektiven messerscharfe Beoabachtungen zum Thema und zum Werk von Oliver Möst bei.
Oliver Möst Livres


Glaubt man Araki, gibt es in jedem Haushalt mindestens ein gutes Fotobuch: Das Familienalbum. Ob das heute im digitalen Zeitalter noch zutrifft? Ich bin nicht sicher. Oliver Möst aber ist in den 1970er Jahren aufgewachsen und wie viele andere sammelten auch seine Eltern die sorgfältig fotografierten Familienbilder in Fotoalben. Dass die eigenen Kinder dabei oft die Hauptrolle spielen, versteht sich von selbst. Für KIND hat Oliver Möst Bilder ausgewählt, die ihn im Vorschulalter zeigen. Als Säugling im Arm der Mutter, als Kleinkind beim Spielen im Garten, beim Ausflug zum See mit Vater, Mutter, Onkel inkl. Schwäne füttern, oder flott angezogen neben einem Kombi kurz vor einer großen Tour. Natürlich sind auch unsere eigenen Erinnerungen an die frühe Kindheit verschwommen. Oliver Möst aber, der mit einem Sehfehler geboren wurde, hat sie tatsächlich unscharf erlebt. Die eigentlich scharfen Erinnerungsbilder aus dem Album hat er für KIND in einem mehrstufigen fotografischen Verfahren in unscharfe verwandelt. Wahrscheinlich funktionieren sie deswegen so gut als Projektionsflächen für schwach erinnerte eigene Erlebnisse: Buddeln im Sand, Besuch bei Onkel Rudi und Tante Margarete, Urlaubsreise an die Nordsee ... Ein scharfes Bild erscheint dann aber doch im Buch. Wie die anderen zeigt es Oliver Möst als kleinen Jungen – nur jetzt mit Brille.