Es stellte ein anhaltendes Skandalon dar, dass Ernst Jüngers politische Publizistik aus der Weimarer Zeit - etwa 140 Artikel in rechten Publikationen - bis vor Kurzem aus seinem edierten Werk ausgeklammert war. In seinem ersten Artikel, wenige Wochen vor dem Hitler-Putsch 1923 im Völkischen Beobachter erschienen, pries er die „völkische Revolution“ unter dem „Banner des Hakenkreuzes“: die „Feder“ sollte durch das „Schwert“ ersetzt werden. Jünger trat in der Folgezeit als Vordenker eines „neuen“, „kriegerischen“ Nationalismus für eine „nationale Diktatur“ ein und scheute auch nicht davor zurück, die „Ausrottung“ politischer Gegner ins Auge zu fassen. Obgleich er sich 1933 dem Nationalsozialismus nicht anschloss, nahmen sich die Differenzen zur NS-Ideologie gering aus. Dazu hat Jünger, der vielfach Geehrte, bis an sein Lebensende beharrlich geschwiegen.
Bruno W. Reimann Livres






Dieser Band thematisiert am Beispiel einer empirischen sozialwissenschaftlichen Studie - einer Befragung Gießener Studierender zum Thema „Sexualität und Aids“ - grundlegende Fragen der Wissensproduktion und Forschungsproblematik im Hinblick auf Aids. Diskutiert werden eine Reihe auffälliger Erscheinungen in den Debatten über Aids: die schwankenden Einschätzungen des Phänomens Aids, die zwischen Abwehr und Dramatisierung pendeln; die unter der Präventionslogik vielfach verborgene Lust, den Sexus zu kontrollieren; der vielfach zwiespältige Umgang mit dem Sexus. Im Bereich der Forschung und der Gesundheitspolitik wird die Abstinenz metatheoretischer Reflexionen im Hinblick auf ausgeblendete normative Voraussetzungen, gar zu plausible Verhaltensmodelle und kontraintentionale Wirkungen von Aufklärungsstrategien aufgegriffen. Die empirische Studie gibt einen breiten Überblick über die Literatur zur Studentensexualität und geht anhand der Ergebnisse vor allem der Frage nach, in welcher Weise und in welchem Umfang sexuelles Handeln mit den Paradigmen des rationalen Handelns gefaßt werden kann. Der entscheidende methodologische Akzent der Studie liegt in der interpretativen Verknüpfung von quantitativen und qualitativen Daten, um tieferliegenden Motiven näher zu kommen.
Goethes Amouren
Liebesfuror und Liebeswahn
Johann Wolfgang von Goethe – das oft verklärt gezeichnete Bild eines Universalgenies. Er war gleichermaßen Dichter, Schriftsteller, Kunstkritiker, Philosoph, Naturwissenschaftler, Jurist und Staatsmann. Doch auch seine zahlreichen Liebschaften waren legendär und bis heute reißen die Spekulationen nicht ab. Goethes Verhältnis (oder Unverhältnis) zu Frauen – diesem Thema widmet sich der emeritierte Soziologieprofessor Bruno W. Reimann. Doch wo der eine nur behauptet, geht Reimann in die Tiefe, forscht, wägt ab, prüft und denkt gründlich nach. Es geht nicht um das Werk des Genies, das ist unbestritten. Es geht um das Wesen des Mannes Johann Wolfgang von Goethe, der ein Leben lang bis ins höhere Alter eine Liebschaft nach der anderen anzettelte und immer, wenn es ernst zu werden drohte, die Flucht ergriff.
Rechts gegen Links
Mechterstädt als Symbol
Diese Studie ist Teil des Ausstellungsprojektes „Das Massaker von Mechterstädt 1920“, das die Ereignisse in Mechterstädt im politischen Kontext beleuchtet. Ministerpräsident Ramelow eröffnete die Ausstellung, die 2016 in mehreren Städten gezeigt wurde. Ein Katalog erschien im Eckhaus Verlag Weimar. Die Studie analysiert die Morde an fünfzehn Arbeitern in Mechterstädt im Rahmen der politisch-militärischen Konflikte zwischen Rechts und Links nach dem Kapp-Putsch 1920 in Thüringen, insbesondere in Gotha. Der Putsch führte zu einem bewaffneten Arbeiteraufstand und einer revolutionären Bewegung, die über die Novemberrevolution hinausging. Die Morde in Mechterstädt stellen den Höhepunkt dieser Auseinandersetzung dar und wurden zum Symbol für die brutale Reaktion der Rechten. Unabhängig von der aktiven Beteiligung der Arbeiter an Aufständen wurden sie von der studentischen Soldateska als „Rote“ und „Bolschewiken“ wahrgenommen. Diese Sichtweise spiegelte den politischen Willen der Mehrheitssozialdemokratie wider, die militärische Gewalt gegen die linke Opposition einzusetzen. Die Studie beleuchtet diesen Grundkonflikt und zeigt, dass die Morde in Mechterstädt ein geplanter Akt waren, der in den spezifischen sozialen und politischen Kontexten der Region verwurzelt war.
Die Hof Schmitte und ihre ehemaligen Besitzer und Bewohner sind ein zentraler Teil des historischen Selbstbewußtseins der Gemeinde Biebertal. Fast alles, was dort passierte und passiert, ist von großem Interesse. In der Geschichtsbetrachtung der Hof Schmitte herrscht ein idyllisierender Zug vor, der für kleine Gemeinden typisch ist. Man möchte nichts berühren, was irgend jemand verärgern könnte, man möchte sich an schönen Ereignissen und vorzeigbaren Figuren erfreuen. Über die Repräsentanten der Familie van der Hoop ist wenig bekannt. Auch über den letzten Besitzer der „Schmitte“ ist bislang nichts bekannt. Er ist der Sohn des Bruders der Freifrau von Fritsch, Georg van der Hoop (1867-1931). Ich lege hier keine Biographie, sondern eine soziopolitische Skizze eines Profils vor, die zwei Schwerpunkte hat, van der Hoops Einstellung zur Politik und zum Krieg. Adrian van der Hoop war Berufssoldat. Mit 18 Jahren wird er Fähnrich, 1917 mit 19 Jahren Leutnant ohne Patent. Er muß 1920 wegen „Heeresverminderung“ gem. des Versailler Vertrags ausscheiden, tritt 1923 wieder ein und klettert die militärische Kar-riereleiter bis zum Generalmajor (Januar 1945), der vorletzten Stufe vor dem General, hoch. Von 1945 bis 1948 ist er in englischer Kriegsgefangenschaft, in der er mehrere Tagebücher verfaßt, die die Grundlage meiner Studie sind.
Prof. Hermann Vogel war ein NS-Protagonist. Die politischen Lebensläufe der NS-Protagonisten waren durchaus auch unterschiedlich. Viele blieben bei der Stange, steigerten sich sogar in ihrem Eintreten für die Nationalsozialismus, andere distanzierten sich, gingen in die „innere Emigration“. Bei einigen wenigen wurde diese Distanz auch in der politischen Umwelt bemerkt. Bei dem Professor für Tierzucht Vogel ist in den Jahren 1935 eine Wende eingetreten, nicht nur nach der Erinnerung seines damals 9 Jahre alten Sohnes Hans-Jochen Vogel, dem späteren SPD-Politiker, auch in der Wahrnehmung der SS, der Vogel seit 1933 angehörte. Er rückte vom Nationalsozialismus ab und stellte den Antrag, aus der SS auszuscheiden. Diese stellte im Hinblick auf Vogel fest: „nicht genügende weltanschauliche Klarheit“. Seinem Gesuch auf Ausscheiden wurde schließlich stattgegeben; seine soziale Existenz wurde trotz des mit Risiken behafteten Schritts nicht gefährdet. Vogel blieb bis 1945 Professor. Vogel ist als Gießener Professor weder privat noch öffentlich für den Nationalsozialismus eingetreten.
Seit nunmehr fast 25 Jahren wird immer wieder die Frage diskutiert, ob das Studentenwerk weiterhin den Namen Otto Egers, eines Rechtsauslegers der Weimarer Zeit und dann NS-Seitengängers, tragen und nicht vielmehr ein Schnitt gemacht werden solle. Den letzten Anlauf machte die Fraktion der LINKEN im Stadtparlament: Sie forderte das Studentenwerk der Universität Gießen auf das Gebäude umzubenennen, denn Eger sei, so heißt es, „bekennender Nationalsozialist gewesen und in diversen NS-Organisationen aktiv.“ (GA, 7. Juli 2013) Die In diesem Band zusammengetragenen Fakten weisen Eger als einen typischen Repräsentanten der rechten Universität der Weimarer Zeit aus, der dann 1933 zum ideologischen Mitgänger des Nazisystems wurde. Die Fakten machen deutlich, daß die Beibehaltung seines Namens für das Studentenhaus am Ende der Ludwigstraße in Gießen ein „no go“ ist. Die Universitätsspitze unter drei Präsidenten (Bauer, Hormuth und Mukherjee) ignoriert diese Fakten, demonstriert ihr mangelndes Lernvermögen und manifestiert auf diese Weise schwere Defizite im Umgang mit der rechten Geschichte der Gießener Universität.